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Berlin: Strippkick

AUFTRITT DER WOCHE Nach zehn Jahren endlich wieder in der Stadt: die Augsburger Puppenkiste

Eine Insel mit zwei Bergen, dada dada dada daa – oops, da hakt es auch schon mit dem Text vom Lummerland-Lied. Beim Urmel-Lied sieht es auch nicht besser aus: Alle Mamis sagen immer, Kindlein gibt schön acht – Rest vergessen. Dabei waren doch „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ und „Urmel aus dem Eis“ von der Augsburger Puppenkiste in der kuscheligen Zeit, als es in Deutschland nur drei Fernsehkanäle gab, die absoluten Spielplatzfeger. Macht aber nichts, diese Textschwäche, jetzt kommt sowieso das Steffi-Lied. Sie ist die Heldin in „Steffi – ein Sommermärchen“, mit dem die berühmteste Puppenbühne des Landes nach zehn Jahren endlich mal wieder nach Berlin kommt. Am nächsten Sonntag, ins Babylon Mitte.

Und wie geht der Refrain vom Steffi-Lied? Puppenkisten-Chef Klaus Marschall, Enkel von Walter Oehmichen, der die Bühne 1948 gründete, hat ihn selbst nicht richtig drauf. „Was mit Frauenpower und schnellen Beinen“, stottert er. Das liegt nahe, denn die neue, an allen neun Austragungsorten der Frauenfußball-WM gezeigte Produktion der Augsburger wird von der Kulturförderung des Deutschen Fußballbundes unterstützt. Ziel der Puppenoffensive ist es, das Thema Frauenfußball auf spaßige Weise unter die Fans von 9 bis 99 bringen.

Fußball spielen kann Steffi aber nicht, sagt Klaus Marschall. Wie, die ist Kickerin und kann es gar nicht? Tja, sagt Klaus Marschall, „versuchen Sie mal, mit einer Marionette einen Ball zu treffen“. Klappt nicht. Die Figuren seien von der Schwerkraft abhängig. „Sie können den Faden mit dem Fuß dran nur fallen lassen, mehr nicht.“ Deswegen geht es im Steffi-Stück zwar um ein Mädchen zwischen zwölf und 14, das von den Jungs vom Fußballfeld gemobbt wird und selber eine Mannschaft gründet. Aber ein rasantes Kickerdrama hüftsteifer, mit bayerischem Akzent plaudernder Marionetten ist das Stück nicht. Mehr ein drolliges Märchen. Steffi gerät nämlich in einen Zauberwald und trifft dort Rotkäppchen, Rumpelstilzchen und andere Geschöpfe der Gebrüder Grimm. Was die vom Frauenfußball halten, verrät Marschall aber nicht.

Dass der kultige, heiß geliebte Plastikfolienozean der Puppenkiste bei so viel Wald und Rasen diesmal zu Hause bleibt, ist natürlich ein herber Schlag. Aber wie der Theaterchef richtig sagt: „Wir machen ja keinen Wasserball.“

Bis nach Japan touren die Augsburger sonst mit ihren Puppen aus Lindenholz, Stoff, Pappe und Baumwollstrippen. Der Zauber, mit toter Materie lebendige Geschichten zu erzählen, funktioniert universell. 420 Vorstellungen spielen die 40 Puppenspieler der Puppenkiste jährlich daheim in Augsburg. Alle ebenso wie das bühneneigene Puppentheatermuseum bestens besucht, auch wenn die letzte, so aufwendig wie ein Spielfilm produzierte Fernsehserie „Lilalu im Schlepperland“ 2001 lief.

5000 Figuren von Kater Mikesch bis Don Blech baumeln im Fundus der Puppenkiste. Alle im Körper-zu-Kopf-Verhältnis eins zu fünf mit possierlich dicken Rüben und Pranken geschnitzt. Das ist Puppenkisten-Stil, sagt Klaus Marschall. „Die sollen nicht lebensecht aussehen, auch die der Fußballerin Steffi Jones nachempfundene Steffi nicht.“ Wäre ja auch sterbenslangweilig. Gunda Bartels

Babylon Mitte, So 15.5., 15.30 Uhr 17 Uhr, 13 Euro, Kinder 9 Euro

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