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Die Preise steigen rasant. Der Strom von Vattenfall, hier im Bild das Heizkraftwerk in Wilmersdorf, ist vergleichsweise teuer.

© dpa

Stromanbieter in Berlin: Kein Ende der Stromspirale in Sicht

Regionale Stromversorger sind teuer, egal ob private oder kommunale. Und so sind in Berlin die Preise seit 2005 um 40 Prozent gestiegen.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Sucht man für einen Dreipersonenhaushalt in München den preisgünstigsten Stromanbieter, ist das kommunale Stadtwerk der bayerischen Metropole erst im unteren Mittelfeld zu finden. Stattdessen bietet das Internetportal Verivox an vorderer Stelle einen Tarif von Vattenfall an. Das ist jener Konzern, dem viele Bürger in Berlin beim Volksentscheid am Sonntag „den Stecker ziehen“ wollen, wie es die Organisatoren nennen.

Sind private Stromanbieter und Netzbetreiber also doch billiger als staatliche Energieversorger? Nein. Der Münchener Tarifvergleich zeigt nur, dass die sogenannten Grundversorger in ihrem heimatlichen Umfeld meistens teuer sind. Sie lassen sich von den Verbrauchern ihre monopolistische Rolle gut bezahlen. Das bestätigt auch ein Vergleich der Strompreise in Berlin. Für einen Dreipersonenhaushalt werden hier zurzeit 365 Tarife angezeigt. Erst auf Platz 301 findet sich der Basis-Tarif von Vattenfall.

Trotzdem ist der schwedische Konzern im bundesweiten Vergleich nicht der größte Schurke. Bei einem Tarifvergleich lokaler Stromanbieter für 1437 Orte in Deutschland steht Berlin auf Platz 220. Es könnte schlimmer sein. Preissieger ist das Stadtwerk Linken im Emsland. Den letzten Rang belegt das Stadtwerk Grünstadt (bei Bad Dürkheim). Eine wichtige Lehre daraus für den Volksentscheid ist: Öffentliche Versorger sind nicht per se günstiger. Und private Stromversorger schaffen es im harten europäischen Wettbewerb nur bedingt, ihre Gewinne zulasten der Verbraucher zu maximieren.

Für den aktuellen Streit um die Rekommunalisierung des Berliner Stromnetzes gibt die Analyse der Preise also wenig her. Die Stromtarife explodieren bundesweit, weitgehend unabhängig von der Eigentums- und Rechtsform der Versorgungsunternehmen. Die Berliner tröstet das aber nicht. Sie mussten im vergangenen Jahr rund 40 Prozent mehr für Strom ausgeben als 2005 (siehe Grafik). Ein Ende der Preisspirale nach oben ist nicht absehbar. Dafür gibt es viele Gründe, die sich leichter verstehen lassen, wenn man sich die Zusammensetzung des Strompreises genauer ansieht.

Ein Viertel des Preises machen Strombeschaffung plus Unternehmensgewinn aus. Ein weiteres Viertel geht für die Nutzung der teuren Stromnetze drauf. Die andere Hälfte des Strompreises besteht aus Steuern, Abgaben und Umlagen. Der größte Brocken (inzwischen fast 20 Prozent) ist die hoch umstrittene EEG-Umlage zur Förderung erneuerbarer Energien. Gefolgt von der Mehrwertsteuer (mit einem Preisanteil von 16 Prozent), der kommunalen Konzessionsabgabe (6 bis 7 Prozent) und der Stromsteuer (7 bis 8 Prozent). Der Anteil der Steuern und Abgaben am Strompreis ist im vergangenen Jahrzehnt im bundesweiten Durchschnitt von 40 auf 50 Prozent gestiegen.

Was die Berliner künftig für den Haushaltsstrom zahlen müssen, hängt demnach nicht davon ab, ob ein kommunales Stadtwerk gegründet wird. Ausschlaggebend wird sein, ob sich CDU/CSU und SPD in den Koalitionsverhandlungen auf eine bundesweite „Strompreis-Bremse“ einigen können. Eine Rolle spielt aber auch, ob die Bürger mehr als bisher den freien Markt nutzen. Also den Anbieter wechseln. Strom aus dem Schwarzwald oder aus Sachsen ist in Berlin derzeit viel günstiger als die Tarife von Vattenfall.

Ob das neue Stadtwerk in diesem harten Wettbewerb bestehen kann, ist offen. Öko-Strom aus Windrädern in Brandenburg, aus kommunaler Müllverbrennung und Bio-Erdgas der Berliner Energieagentur wird wohl nicht zum Schnäppchenpreis zu haben sein.

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