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Da hilft auch kein Hundeblick: Auf der Suche nach einem Kita-Platz in Berlin begegnen Eltern nur lange Listen, lautes Lachen und auch mal ayurvedische Kost.

© dpa

Suche nach Kitaplatz in Berlin: Eine Woche Urlaub und Nummer 324 auf der Warteliste

Lange Listen, lautes Lachen, ayurvedische Kost: Was Eltern bei der Kitasuche in Berlin erleben, ist allerlei. Zwei Erfahrungsberichte von Tagesspiegelredakteuren schildern Geschichten aus dem Kita-Dschungel.

Bericht aus Friedrichshain: Die Suche verfolgte uns bis in die Träume

Endlich. Unsere Kinder sind unter Vertrag: Zum Spätsommer kann unser Sohn (gut drei Jahre alt) von einer Kindertagespflegestelle in einen Kindergarten für größere Kinder bei uns in Friedrichshain wechseln. Unsere Tochter (acht Monate) kann an ihrem ersten Geburtstag den Platz ihres Bruders übernehmen. Das einzufädeln war nicht leicht. Doch gestern hat meine Frau, die mehr als 90 Prozent der Arbeit geleistet hat, ihre Mappe mit Kita-Listen und handschriftlichen Anrufprotokollen weggeworfen.
Die Suche, die sie bis in die Träume verfolgt hatte, begann vor bald vier Jahren bei der Frauenärztin. Noch mit dem ersten Ultraschallbild in der Hand riet diese uns, tätig zu werden – worüber wir damals lachten. Am ersten Kita-Schnuppertag trug meine Frau unseren Sohn noch im Bauch vor sich her. Doch diese Wunschkita ließ uns zappeln. Sie nahm ihn weder zum ersten Geburtstag, noch jetzt, wo er mit drei Jahren die Kleinkinderbetreuung verlassen muss.

Wo fehlen in Berlin Kitaplätze? Die Grafik zeigt es.
Wo fehlen in Berlin Kitaplätze? Die Grafik zeigt es.

© Tsp / Bartel

Mit etwa acht Kitas, Kinderläden und Tagespflegestellen standen wir im Kontakt. Am Ende war es uns fast egal, ob sich die Einrichtung an Jesus Christus, Rudolf Steiner oder Pythagoras orientiert. Letzteres ist bei der großen städtischen Kita im Kiez der Fall. Mathematik klingt gut. Doch das Gerücht geht um, dass ausrastende Kinder dort in einen „Isolationsraum“ gesperrt werden. Doch selbst da war kein Platz mehr frei. So landete unser Sohn in seiner sympathischen Mini-Kita, in der ihm ausschließlich „ayurvedisch vegane“ Kost aufgetischt wird, was er sehr gern isst – auch wenn ich bis heute nicht weiß, was das ist. Zufall.

Wir hätten uns dem Schicksal früher fügen sollen, ahnen wir. Am Ende landet fast jedes Kind, wo es soll. Weil fast alle Eltern bei fünf Kitas auf der Liste stehen, hatten wir für unseren Sohn zuletzt drei gute Plätze zur Auswahl. War es das Organisationstalent meiner Frau, göttliche Fügung, gutes Karma oder eine Geheimbehörde? Es bleibt ein Rätsel.

Die Sache mit der Warteliste und Platz Nr. 324

Bericht aus Prenzlauer Berg: Die Sache mit der Warteliste und Platz Nr. 324

Bis zur Geburt waren es noch fünf Monate, aber ich wollte auf Nummer sicher gehen. Denn an einer Kita um die Ecke warnte schon längere Zeit ein Schild: „Liebe Eltern! Wir haben keine Plätze mehr für dieses und für nächstes Jahr.“ Also nahmen meine Freundin und ich gemeinsam eine Woche Urlaub, um systematisch alle Kitas abzuklappern – im Kiez rund um die Gethsemanekirche in Prenzlauer Berg ein ehrgeiziges Vorhaben. Immerhin wurde viel gelacht – allerdings über uns. „Was wollen Sie denn schon hier? Sie wissen ja nicht mal, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird!“ Andere begegneten unserer Hektik eher spröde-charmant: „Ich kann Sie natürlich gerne auf die Warteliste setzen. (Pause) Moment mal, Sie sind jetzt Nummer (Pause) 324.“ Ich konnte nicht umhin, kurz aufzulachen und ungläubig nachzufragen: Drei-hundert-vier-und-zwanzig? Die Antwort fiel deutlich aus: „Wenn Sie wirklich Interesse haben, melden Sie sich doch einfach einmal die Woche bei uns. So rücken Sie auf.“ Meine nächste ungläubige Nachfrage behielt ich lieber für mich: Einmal die Woche? Fünf Monate lang bis zur Geburt? Und dann noch ein Jahr lang danach?

Es war schon Freitag, meine Kitasuchsafariwoche fast um, als ich noch einmal eine alte Kita im Kiez nebenan besichtigte: schrammelige DDR-Steinbaracke, dafür lustig-handfeste Erzieher, selbst gekochtes Bioessen (kostet allerdings extra) und (eigentlich am wichtigsten) ein großer grüner Garten. Warum nicht?, dachte ich. „Warum nicht?“, sagte auch die Kitaleiterin. „Wir haben noch ein paar Plätze frei. Kommen Sie einfach nächste Woche zum Anmeldetag.“

Anmeldetag? So was gibt’s? Ganz ohne Liste? Interessante Fragen. Die mich nun nicht mehr interessierten. Ich musste nur noch einen einzigen Tag freinehmen, um uns den Platz zu sichern. Und mein Kind, so es fünf Monate später geboren werden sollte, würde in einem Garten spielen. Es wurde ein Mädchen.

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