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Die AfD sieht sich als Opfer einer politisch motivierten „Blockadehaltung“.

© picture alliance/dpa

„Systematische Blockadehaltung“: Berliner AfD klagt gegen Nichtwahl ihrer Stadträte

Vier Stadtratsposten stehen der Berliner AfD zu, nur einer ist bislang besetzt. Nun geht die Partei vor Gericht.

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Weil drei von vier der Berliner AfD zustehenden Stadträte bislang trotz etlicher Wahlgänge nicht ins Amt gewählt wurden, zieht die Partei nun vor das Berliner Verwaltungsgericht. Eine entsprechende Klageschrift im Namen der AfD-Fraktionen von Spandau, Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf werde an diesem Donnerstag beim Gericht eingereicht, erklärte Parteisprecher Ronald Gläser am Mittwoch.

„Wir wollen die Bezirksverordnetenversammlungen dazu zwingen, dass unsere Leute ihr Amt wahrnehmen können“, sagte Gläser und warf den anderen dort vertretenen Parteien vor, eine „Blockadehaltung“ zu praktizieren. Auch Parteichefin Kristin Brinker sprach von einer „systematischen Blockadehaltung“, die „gegen den Geist des demokratischen Gemeinwesens“ verstoße.

Anlass für die Klage der AfD-Fraktionen sind die Parteiangaben zufolge inzwischen 41 Wahlgänge, in denen die drei betroffenen Stadtratskandidaten Andreas Otti (Spandau), Michael Adam (Marzahn-Hellersdorf) und Frank Elischewski (Lichtenberg) von den Mitgliedern der Bezirksparlamente abgewiesen worden waren.

AfD: Bezirksverordnetenversammlung ist Teil der Verwaltung

Von den vier nach der Wahl im September 2021 verbliebenen Stadtratsposten konnte die AfD mit Bernd Geschanowski in Treptow-Köpenick nur einen besetzen. Geschanowski war Anfang Februar im vierten Wahlgang zum Stadtrat für Ordnungsangelegenheiten gewählt worden. Schon damals schien absehbar, dass dies seinen drei anderen Parteifreunden nicht gelingen würde.

Angesichts dessen sprach Andreas Otti, der bereits von 2016 bis 2021 Stadtrat für Gebäude und Umwelt war und bis zum Mittwochabend elf erfolglose Wahlgänge über sich ergehen lassen musste, von einem „rechtswidrigen“ Verhalten der Bezirksverordneten. Diese zählen aus Sicht des ehemaligen CSU-Politikers und seiner Partei zur Verwaltung und könnten sich deshalb – anders als beispielsweise die Mitglieder des Abgeordnetenhauses – nicht auf die Freiheit des Mandats sowie verfassungsrechtliche Privilegien berufen.

„Ich halte es für schwierig, dass wir jetzt klagen müssen“, erklärte Otti und bezeichnete den Schritt als „gar nicht gut für die Demokratie“. Auch Adam und Elischewski betonten, dass sie die Klage gern vermieden hätten. Von einem „eklatanten Verstoß gegen die Vorschriften des Bezirksverwaltungsgesetzes“ sprach Rechtsanwalt Adam, der lange Justiziar des Landesverbandes gewesen war und in Marzahn-Hellersdorf für viele überraschend die eigentliche Stadtratskandidatin Birgit Malsack-Winkemann ersetzt hatte. Adam fiel bislang in sechs Wahlgängen durch, beim ersten Versuch fehlten ihm sogar Stimmen aus der eigenen Fraktion.

Bislang nicht erneut gewählt: Stadtratskandidat Andreas Otti.

© dpa

Rechtlich und auch praktisch funktionieren die Parlamente in den Bezirken anders als jene auf Länder- oder Bundesebene: Dort richtet sich die Zusammensetzung des Bezirksamtes nach den Ergebnissen der BVV-Wahlen, die Mitglieder des Bezirksamtes werden von den Bezirksparlamenten gewählt. Das besondere dabei ist, dass dabei etwaige Koalitionen, die auf Bezirksebene Zählgemeinschaften heißen, keine Rolle spielen. Fraktionen haben ein Vorschlagsrecht für Stadträt:innen. Ein Anspruch auf deren Wahl lässt sich Bezirksverwaltungsgesetz jedoch zumindest wörtlich nicht finden.

Das Abgeordnetenhaus wiederum hatte sich bereits mit einem entsprechenden Antrag der AfD befasst und schlussendlich abgelehnt. Darin sollte der Senat dazu aufgefordert werden, als „Bezirksaufsicht“ in den drei betreffenden  Bezirksverordnetenversammlungen dafür zu sorgen, dass die von den AfD-Fraktionen vorgeschlagenen Stadtratskandidaten bestätigt würden. Im Antrag der AfD hatte es geheißen, die Wahlvorschläge der Partei seien nicht etwa aus mangelnder fachlicher Qualifikation abgelehnt worden, sondern aus politischen Gründen. Dieses Verhalten sei gesetzeswidrig.

Innenverwaltung verweist auf freie Wahl der Verordneten

Der Antrag wurde in der Sitzung des Innenausschusses Mitte September behandelt. Innen-Staatssekretär Torsten Akmann (SPD) erklärte dort, ein Einschreiten des Senats sei nicht möglich. Die Besetzung des Bezirksamts erfolge durch Wahl, und die Verordneten seien in ihrer Wahl frei. Ein bestimmtes Stimmverhalten könne nicht erzwungen werden. Die AfD-Fraktionen könnten allerdings mehrheitsfähige Personen als Kandidaten aufstellen. 

Akmann verwies auf einen ähnlich gelagerten Fall, in dem das Bundesverfassungsgerichts im März dieses Jahres eine Klage der AfD abgelehnt hatte: Deren Kandidat für den Posten des Bundestagsvizepräsidenten hatte in der vergangenen Legislaturperiode stets die Mehrheit verfehlt. Die Karlsruher Richter:innen erklärten, die Abgeordneten seien in ihrer Wahl frei und könnten nicht verpflichtet dazu werden, so zu wählen, dass das Ergebnis zugunsten der AfD ausfalle. 

Absehbar ist, dass das Verwaltungsgericht eine Entscheidung in der Sache nicht vor dem 12. Februar und damit dem Termin für die Wiederholung der Wahlen zum Abgeordnetenhaus und den Bezirksverordnetenversammlungen treffen wird. Zwar setzt die AfD laut Adam darauf, dass die mündliche Verhandlung Anfang des kommenden Jahres stattfinden wird, sicher ist das nicht.

Nach der Wahl wiederum könnte das Problem an Dringlichkeit gewinnen. Aktuelle Umfragen prognostizieren der AfD ein deutlich stärkeres Ergebnis als die acht Prozent, die die Partei am 26. September 2021 berlinweit holte. Bestätigt sich der Trend, dürfte die Zahl der ihr zustehenden Stadtratsposten nach der Wahl stark steigen.  

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