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Berlin: Talent und Gewinn

Küster Matthias Kohl geht zum Hochaltar der katholischen Herz-Jesu-Kirche und zündet weiße Kerzen an. Die Glocken im 104 Jahre alten Turm läuten über der Fehrbelliner Straße in Prenzlauer Berg.

Küster Matthias Kohl geht zum Hochaltar der katholischen Herz-Jesu-Kirche und zündet weiße Kerzen an. Die Glocken im 104 Jahre alten Turm läuten über der Fehrbelliner Straße in Prenzlauer Berg. Die Kirche ist gut besucht, Menschen aller Generationen sind zu sehen. 4000 Mitglieder zählt die Herz-Jesu-Gemeinde. Pfarrer Christophe Blin ist heute in Gussow auf einem religiösen Wochenende, deshalb hält der Kaplan, Pater Gerold Jäger, allein die Messe. Es ist sein zweiter Gottesdienst an diesem Tag. Um 9 Uhr hat er schon in der St. Adalbert-Gemeinde gepredigt und das Gleichnis aus dem Matthäus-Evangelium erzählt, in dem ein Herr seinen drei Dienern Talente anvertraut. Die ersten beiden Diener vermehren das Geld, so dass sie ihrem Herrn eine Vielzahl an Münzen zurückgeben können. Der dritte fängt nichts damit an, gibt es ungenutzt zurück. Während die ersten beiden gelobt werden, bestraft der Herr den dritten, der aus Angst zu versagen tatenlos blieb. „Jesus trifft mit diesem Gleichnis ganz konkret unser Leben. Es ist bedeutsam für die aktuelle politische und ökonomische Situation“, sagt Jäger. Diese sei nicht nur ein Problem ungünstiger Rahmenbedingungen: „Es gibt auch ein Vertrauensproblem. Wenn ich kein Vertrauen mehr habe, handele ich nicht mehr, investiere ich nicht mehr.“ Der Kaplan appelliert an die Gemeinde, nicht zu resignieren: „Wagen wir es, Vertrauen zu haben in den Herrn unserer Schöpfung. Wagen wir es, unsere Talente einzusetzen.“

Gegen Ende der Messe verliest Pater Jäger noch einen Brief des Erzbischofs Kardinal Sterzinsky. Passend zur Predigt geht es auch hier um Geld: „Wir werden Hilfe brauchen und um Hilfe bitten müssen, um die Krise zu bewältigen. Doch ohne eigene, sicher schmerzhafte Anstrengungen wird es nicht abgehen“, schreibt Sterzinsky zur finanziellen Situation des Erzbistums Berlin. „Ich bitte Sie, mit zu überlegen, wie in der Gemeinde, im Dekanat und auf diözesaner Ebene der notwendige Dienst geleistet werden kann, wenn hauptamtliche Kräfte im bisherigen Umfang nicht mehr bezahlt werden können.“ Die Herz-Jesu Gemeinde tut, was sie kann. So fängt der Küster am Ausgang die Mitglieder des Kirchenvorstands ab, drückt ihnen an sie adressierte Briefe in die Hand. „So sparen wir schon mal Porto.“ Viola Volland

Viola Volland

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