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Berlin: Tarifstreit: Polizisten springen Lehrern bei

Auseinandersetzung um 255 Neueinstellungen entbrannt – nach der GEW stellt auch die GdP die Einigung mit dem Senat infrage

Nach der Lehrergewerkschaft GEW stellt jetzt auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) die gerade mit dem Senat vereinbarte Tarifeinigung infrage. „Wir unterstützen die GEW bei der Forderung nach 255 Lehrer-Neueinstellungen“, betonte gestern GdP-Chef Eberhard Schönberg. Dies sei eindeutig bei den Tarifverhandlungen vereinbart worden. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hingegen mahnte zur Zurückhaltung: Nachverhandlungen seien ausgeschlossen. Allerdings müssten noch einige offene Fragen „geklärt werden“.

Der Klärungsbedarf ist in der Tat immens, resultiert allerdings weniger aus der Tarifeinigung an sich als aus der Verquickung mit dem Thema der Beamten-Arbeitszeit: Wie berichtet, hatte der Regierende Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) nach der Tarifeinigung überraschend bekannt gegeben, dass das Rezept „Zeit gegen Geld“ auch auf die Beamten, nicht aber auf die Lehrer übertragen werde. Das sei nämlich „zu teuer“.

Den Lehrern wird als Ausgleich angeboten, dass sie zwei zusätzliche freie Tage bekommen, dass die neue Ferien-Präsenzzeit von drei auf einen Tag reduziert wird und dass sie am Ende ihrer Dienstzeit rund zwei Monate früher bei vollem Lohnausgleich in den Ruhestand gehen können.

Alle drei genannten Kompensationen erweisen sich bei genauerem Hinsehen allerdings als realitätsfern:

Die zwei freien Tag würden auf Kosten des Unterrichts gehen, wenn die Schulen zwei zusätzliche Tage schulfrei gäben, wie es dem Innensenator vorschwebt.

Die zwei Präsenztage können gar nicht erlassen werden, weil Lehrer vor Ferienende sowieso das neue Schuljahr vorbereiten müssen – egal ob zu Hause oder in der Schule.

Den überlasteten Lehrern hilft es aktuell überhaupt nicht, wenn sie am Ende ihres Arbeitslebens zwei Monate früher ausscheiden können. Überdies geht das auch gar nicht, da Lehrer meist zum Ende eines Schuljahres in Pension gehen. Zwei Monate früher hieße, dass sie ihre Schüler mitten im wichtigen zweiten Halbjahr abgeben müssten.

Aber nicht nur diese offensichtlichen Ungereimtheiten bringen die Lehrer zurzeit in Rage. Sie fühlen sich auch regelrecht betrogen, weil Klaus Wowereit in seiner Regierungserklärung am 16. Januar eine ganz andere Marschrichtung angegeben hatte: Damals hörte sich das so an: „Gerade an die Adresse der Lehrerinnen und Lehrer sage ich noch einmal ganz deutlich: Ich weiß, dass die beschlossene Arbeitszeiterhöhung auf ihre Knochen geht und dass sie alles andere als arbeitsmarktpolitisch sinnvoll ist. Das Ziel des Senats bleibt eine Verkürzung der Arbeitszeit. Zugleich steht fest: Die Verlängerung der Arbeitszeit war keine Willkür, sondern eine Notmaßnahme, die wir für den Fall angekündigt hatten, dass es zu keiner Verständigung über einen Solidarpakt kommt“.

Inzwischen ist der Solidarpakt da, aber die Arbeitszeiterhöhung der Lehrer wird nicht zurückgenommen. Dies aber bedeutet, dass es bei den Lehrern einen Personalüberhang von über 700 Stellen gibt. Und deshalb können die 255 neuen Lehrer gar nicht eingestellt werden.

Susanne Vieth–Entus

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