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Berlin: Tempodrom muss in die Insolvenz

Senat entscheidet sich gegen den Verkauf des Kulturzentrums

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Der Senat lässt das Tempodrom, die Kulturarena am Anhalter Bahnhof, in die Insolvenz gehen. Der schon ausgehandelte Verkauf an den Betreiber des Liquidrom, Dieter Böhm, wurde gestern abgelehnt. „Das ist ein schwieriger Weg, aber der einzig vernünftige“, sagte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) nach der Senatssitzung. Angesichts der öffentlichen Diskussion um die Finanzierung des Tempodrom sei eine „neutrale Entscheidung“ nicht möglich gewesen. Wowereit geht davon aus, dass der Veranstaltungsbetrieb trotz der bevorstehenden Zahlungsunfähigkeit weiterläuft.

Darüber entscheidet jedoch nicht mehr die Regierung, sondern voraussichtlich der Insolvenzverwalter. Denn die Landesbank Berlin (LBB) wird Zins und Tilgung für ihre Kredite nicht länger stunden. Die Stiftung „Neues Tempodrom“ kann aus den Einnahmen der Kulturveranstaltungen aber nur die laufenden Betriebskosten zahlen. Irene Moessinger, die das Tempodrom als alternatives „Kulturzelt“ vor 24 Jahren gegründet hatte, war geschockt. „Es wäre unsäglich traurig, wenn der künstlerische Betrieb geschädigt würde.“ Das Tempodrom sei ihr Lebenswerk – sie möchte weitermachen. Über 100 neue Arbeitsplätze seien geschaffen worden und seit Eröffnung des neuen Hauses habe es mehr als 500 Veranstaltungen gegeben. Die Besucherzahlen seien hoch. „Das ist unser Metier, da sind wir gut.“

Doch der Senat muss draufzahlen, trotz Insolvenz: Eine Landesbürgschaft wird fällig. Ob sich der Schaden für die öffentliche Hand mindern lässt, hängt vom erfolgreichen Verkauf (notfalls der Zwangsversteigerung) durch den Insolvenzverwalter ab. Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) rechnet mit einer Belastung des Landeshaushalts von 9,3 Millionen Euro. Für die Senatsentscheidung waren nach Darstellung Sarrazins zwei Gründe ausschlaggebend. Erstens seien während der Verkaufsverhandlungen „in den letzten Tagen ständig neue Sachverhalte aufgetaucht“. Dazu gehöre beispielsweise ein alter Posttunnel unter dem Tempodromgelände, der teilweise noch beseitigt werden muss. Der Senator fühlte sich an ein altes Auto erinnert, dass frisch lackiert worden ist, „aber wo man überall auf Rost stößt“. Auch Wowereit sprach von „unüberschaubaren Risiken“, die täglich zu neuen, kontroversen Diskussionen geführt hätten.

Der zweite Grund für die Insolvenzentscheidung war die Forderung der LBB, der Senat solle keine Einwände gegen die Fälligkeit der gesamten Landesbürgschaft erheben. Der Finanzsenator behält sich aber vor zu prüfen, ob die Landesbank sämtlichen Verpflichtungen aus der Bürgschaft nachgekommen ist. Außerdem wollte der Senat vermeiden, sich mit dem privaten Bürgschaftsanteil der Tempodrom-Betreiberin Moessinger und ihres Geschäftspartners Norbert Waehl auseinander zu setzen. Das ist nun Sache der LBB. Was aus dem Vertrag mit Moessinger wird, müsse der Insolvenzverwalter entscheiden, sagte Wowereit. Ob alte Handwerkerrechnungen noch bezahlt werden können, hängt von der Insolvenzquote ab. Die bestehenden Pachtverträge bleiben nach Einschätzung Sarrazins gültig, solange der Kulturbetrieb weitergeführt wird.

Stadtentwicklungssenator Peter Strieder war am Senatsbeschluss nicht beteiligt. Er ist auf Dienstreise in Mexiko. „Aber ich denke mir mal, dass er sich denken konnte, dass die Entscheidung so ausfiel“, sagte Wowereit. Wurde Strieder vorher konsultiert? „Nee, wir haben ihn auch nicht gefragt, denn er war ja nicht da.“

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