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Berlin: „Terrassenweine“ müssen nicht belanglos sein

Es naht die Terrassenzeit, und mit ihr ein Missverständnis: Wenn die Sonne scheint und die Vögel zwitschern, wenn der Himmel lange hell bleibt und dafür die Wurst auf dem Grill schwarz verbrutzelt - dann ist die Zeit der sog. Terrassenweine gekommen.

Es naht die Terrassenzeit, und mit ihr ein Missverständnis: Wenn die Sonne scheint und die Vögel zwitschern, wenn der Himmel lange hell bleibt und dafür die Wurst auf dem Grill schwarz verbrutzelt - dann ist die Zeit der sog. Terrassenweine gekommen. Sie sollen in erster Linie billig und belanglos sein, obwohl es doch gar nicht schwer ist, preisgünstige gute zu finden. Hier sind zwei: Einer kommt vom Kaiserstuhl, wo durchaus nicht nur fette Spätlesen mit viel Alkohol entstehen, sondern auch feinfruchtige, schlanke Weine, den den Durst auf angenehmste Weise löschen. Das Vogtsburger Weingut Schätzle produziert solche Weine. Thomas Schätzle, der den Betrieb 1994 von seinem Vater übernahm, hat die Qualität seither kontinuierlich gesteigert und gilt längst als einer der Top-Erzeuger der Region, ohne dass sich das in Top-Preisen niederschlüge. Der ehrgeizige Winzer, der Reinzuchthefen ebenso wie Feinfiltration ablehnt, hat vor allem dafür gekämpft, dass der Schelinger Kirchberg nicht per Flurbereinigung in der Oberbergener Bassgeige aufging; der Lohn ist ein Weinberg im Urzustand, naturgeschützt mit Kleinstterrassen in einer Steillage. Von dort stammt der 2001er Sinfonietta Kabinett trocken, eine rundum gelungene Cuvée aus fünf verschiedenen weißen Rebsorten, die mit vielfältigen Fruchtaromen, Muskattönen und runder Pfirsichfrucht brilliert - und trotz ihrer Geschmacksfülle mit 11,5 Prozent Alkohol auskommt. Ein Spargelwein? Nein: Ein guter Wein, der auch zum Spargel vortrefflich passt. Die Flasche kostet 6,50 € bei Südwind, Akazienstr.7, Schöneberg, und bei Vinum am Steglitzer Damm 29 in Steglitz .

Auch Rotweine können relativ leicht und doch voller Geschmack sein. Dies beweist der Berliner Rechtsanwalt Horst Hummel, ein gebürtiger Schwabe, den es auf Spurensuche in der Familie nach Ungarn verschlagen hat. Er infizierte sich als Student in Tübingen mit der Vorliebe für substanzreiche Rotweine, die nicht so dünn schmeckten wie die klassischen Württemberger, durchquerte zunächst alle französischen Anbaugebiete - doch erst, als ihm 1997 im südungarischen Weindorf Villány ein Weingarten angeboten wurde, stieg er selbst ins Geschäft ein. Im Herbst 1998 erntete der Autodidakt die ersten Trauben, und durch Ertragsreduktion und aufwändige Rebpflege gelang es ihm rasch, seinen Weinen ein ganz eigenes, gradliniges Profil zu geben und den Charakter des Weingartens und die Frucht der Traube ohne Schnörkel schmeckbar zu machen, vergleichbar vor allem den besseren österreichischen Roten.

Überraschend, dass ihm das sogar mit einer Rebsorte gelang, die nur gering geschätzt wird und in Deutschland selten mehr als fade Weinchen ergibt: der Kekoportó, auch als Blauer Portugieser bekannt. Hummels 2000er Villányi Kekoportó besticht durch betonte Schwarzkirschfrucht und erdige, aber nicht rustikale Würze, er wirkt tiefgründig, ohne schwer zu sein und reagiert überdies positiv auf leichte Kühlung, was ihn zum Terrassen-Rotwein prädestiniert. Zum ersten Barbecue die Ideallösung, zumal auch der Preis in die Saison passt: Die Flasche kostet 6,20 € in der Weinhandlung Weinlese in der Crellestraße 43 in Schöneberg. Merke: Ungarn ist nicht nur mit Süßweinen zurück auf der önophilen Landkarte. Man versteht, dass der Anwalt Hummel längst als hauptberuflicher Winzer praktiziert. Bernd Matthies

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