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Berlin: Teure Löcher, billige Schilder

Weil das Geld für die Reparatur fehlt, stellen die Bezirke immer mehr Warnhinweise auf. Jetzt auch in Mitte. In einigen Straßen der Stadt gilt inzwischen Tempo 10

Schön soll der Bezirk Mitte sein, ein Touristenmagnet, eine Einkaufsmeile. Dazu gehören auch gute Straßen. Nur die kann sich der Bezirk nicht leisten. Daher greift er wie schon in Tempelhof-Schöneberg oder Pankow zur billigsten Lösung: Verkehrsschilder mit dem großen Ausrufezeichen und der Aufschrift „Straßenschäden“. 20 Euro kostet ein Schild durchschnittlich, und: Es schützt den Bezirk vor Klagen nach Unfällen. Das Straßen- und Grünflächenamt Mitte ließ am Freitag die Dreiecke in fünf Straßenzügen aufstellen, in der Glinkastraße, der Mohrenstraße, der Taubenstraße, der Jägerstraße und der Seydelstraße.

Dorothee Dubrau, Bezirksstadträtin für Stadtentwicklung sieht derzeit keine andere Möglichkeit, mit dem desolaten Straßenzustand umzugehen: „Mehr Geld für Baumaßnahmen bekommen wir nicht.“ 1,8 Millionen Euro hat sie im Jahr zur Verfügung, um die Straßen in Mitte zu warten – „viel zu wenig für so einen großen Bezirk“.

Der Rest der Stadt hat dasselbe Problem, die Zahl der Straßen, die wegen ihres maroden Zustands nur noch im Kriechtempo befahren werden können, wird von Jahr zu Jahr größer. In Tempelhof-Schöneberg stehen schon 700 Schilder, die vor nicht reparierten Schäden warnen, in Pankow 1500. In Spandau hat Baustadtrat Carsten Röding (CDU) den unbefestigten Straßen in Weststaaken jetzt Tempo 10 verordnetet. In Charlottenburg-Wilmersdorf schließt sein Kollege Klaus-Dieter Gröhler (CDU) Tempo 30 für Masurenallee und Messedamm nicht mehr aus.

Bismarckstraße, Kaiserdamm, Spandauer Damm, Hardenbergstraße und selbst der Ku’damm sind weitere Problemzonen, von den Nebenstraßen ganz zu schweigen, klagt Stadtrat Gröhler. In Friedrichshain-Kreuzberg hat sein Kollege Franz Schulz (Bündnis90/Grüne) der Bödikerstraße bereits Tempo 10 verpassen müssen, während für Teile des Markgrafendammes das Limit von 30 Stundenkilometern gilt.

Weitere Straßen können hier jederzeit folgen, weil eine „sinnvolle Instandsetzung“ nicht mehr möglich sei, so Helmut Folger vom Tiefbauamt. Vom „bedenklichen Zustand“ vieler Fahrbahnen spricht auch sein Kollege Bernd Stempe in Steglitz-Zehlendorf, wo es bereits Lorenz-, Mariannen- und Hildburghauser Straße getroffen hat. In Spandau gilt Tempo 30 auf dem Saatwinkler- und dem Nennhauser Damm, der jetzt auch für den Lkw-Verkehr gesperrt wird. In Treptow-Köpenick zählt die Straße An der Wuhlheide zu den Kandidaten für eine mögliche Geschwindigkeitsbegrenzung.

Der Wechsel von Sonne am Tag und Frost in der Nacht wird dazu führen, dass bald weitere Straßen „erheblich aufbrechen“ werden, befürchtet ein Baustadtrat.

Aus Sicht der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung können sich die Bezirke aber nicht übers fehlende Geld beklagen. Sie gäben teilweise nur die Hälfte der dafür zugewiesenen Mittel für den Straßenunterhalt aus. Die Kritik bringt die Bezirksvertreter in Rage. Sie bekämen nur knapp die Hälfe der notwendigen Mittel. Weil aber auch die Summen für Sozialhilfe und Kitabeköstigung nicht ausreichen, sei man gezwungen, einen Teil des Geldes „umzutopfen“, betont Klaus-Dieter Gröhler in Charlottenburg/Wilmersdorf. „Viele der angeblich freiwilligen Leistungen sind in Wirklichkeit Pflichtleistungen“, sagt auch Franz Schulz in Friedrichshain-Kreuzberg.

„Eine Entscheidung zwischen Pest und Cholera“, die aber ausschließlich in der Zuständigkeit der Bezirke liege, so Petra Reetz von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung.

Friedrichshain-Kreuzberg hat nach einer Aufstellung des Finanzsenators im vergangenen Jahr 662402 Euro in den Straßenunterhalt investiert. Das sind nur etwa 40 Prozent des zugewiesenen Betrages. Ähnlich gering war der Anteil mit jeweils rund 45 Prozent in Marzahn-Hellersdorf, Tempelhof-Schöneberg und Zehlendorf-Steglitz. Nur in zwei Bezirken hat man draufgezahlt. In Treptow-Köpenick (105 Prozent) und in Spandau, wo sogar 130 Prozent in den Straßenbau investiert wurden. Trotzdem reicht es in den Nebenstraßen nur zur Schlaglochsanierung, sagt Stadtrat Röding. Er fordert für die Bezirke neben Sach- und Personalmitteln sowie der Investitionsplanung einen Zusatztopf für Infrastrukturmaßnahmen.

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