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Thilo Sarrazin: Profil durch Provokation

Finanzsenator Sarrazins Sprüche ärgern viele. Manchem Parteirechten spricht er aus dem Herzen.

Nun sind wieder die Schüler die Dummen. Finanzsenator Thilo Sarrazin ist der Überzeugung, Berliner Schulabgänger könnten sogar dann, wenn sie einen Abschluss haben, weniger als bayerische Schüler, die die Schule ohne Abschluss verlassen. In diesem Sinn spöttelte er Anfang der Woche in der Landesvertretung von Rheinland-Pfalz bei der Vorstellung einer Studie, in der es auch um Bildungssysteme ging.

Mancher im Publikum – Bundestagsabgeordnete, Mitarbeiter der Landesvertretungen von Rheinland-Pfalz, Hessen und Bayern – soll gelacht haben. Doch in Berlin kommt Sarrazins neuester Spruch nicht an. CDU-Bildungspolitiker Sascha Steuer sagt schlicht: „Unsinn“. Ein Schüler mit Abschluss stehe immer und überall besser da als ein Schüler ohne Abschluss. Die FDP-Bildungspolitikerin Mieke Senftleben sagt, es treffe zu, dass ein bayerischer Realschulabschluss in den Pisa-Studien mehr wert sei als ein Berliner Gesamtschulabschluss. Doch bei den mittleren Schulabschlüssen seien Berliner und bayerische Ergebnisse „durchaus vergleichbar“ – Berlin stehe nach einigen Bemühungen „nicht so schlecht“ da. Grünen-Bildungspolitiker Özcan Mutlu schimpft, Sarrazin selbst trage einiges dazu bei, dass Berliner Schüler bundesweit schlechter dastünden. Der Senator verstehe die „Priorität Bildung“ nicht. Er statte Berliner Schulen einfach schlechter aus.

Oder Sarrazin bestreitet den Zusammenhang zwischen Geldausgeben und Qualitätsgewinn. Kaum jemand dürfte wirklich wissen, warum Sarrazin so gerne alle provoziert, die mit mehr öffentlichem Geld Probleme lösen wollen. In die Schulpolitik hat er sich vor Jahren eingemischt. In der Sozialpolitik gehört er zu den wenigen in der SPD, die die Ergebnisse von Gerhard Schröders Agenda-Politik hochhalten und sich weigern, ständig verschreckt auf die Umfragen- Hausse der Linkspartei zu gucken. Sarrazin mag auf manche wirken, als sei er im Grunde seines Herzens ein Liberaler. Tatsächlich hat er genauso viel von den Bürgerlichen in der SPD, die wie früher Helmut Schmidt oder heute Peer Steinbrück im Staat nicht bloß eine Steuerumverteilungs-Gießkanne sehen.

Das kommentieren viele in der SPD mit lauter werdendem Groll. Sarrazin habe viel erreicht, sagt man ihm nach – selbstverständlich mit Unterstützung der Fraktion –, aber inzwischen provoziere er aus einem Gefühl der Langeweile und der Unterforderung heraus. Er suche wohl eine neue Aufgabe in der Republik.

In der SPD-Fraktion halten ihn neuerdings wohl nicht wenige Abgeordnete für entbehrlich. Werner van Bebber

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