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Thyssen-Krupp-Grundstück: Selbst der Aufsichtsrat war ahnungslos

Abgeordnete irritiert über Liegenschaftsfonds und preisgünstigen Grundstücksverkauf an Thyssen-Krupp.

Wegen der „hauptstadtrelevanten Nutzung“ hat der städtische Liegenschaftsfonds das 737 Quadratmeter große Grundstück am ehemaligen Staatsratsgebäude ohne Ausschreibung oder Bieterverfahren direkt an Thyssen-Krupp vergeben. Nach Kritik aus Reihen der PDS an der Grundstücksveräußerung zeigen sich auch die Grünen irritiert. Der Haushaltsexperte Joachim Esser verlangt eine öffentliche Diskussion. Das Geschäft sei „unüblich“, erinnere an die Grundstücksvergabe im Wilden Westen und müsse im Vermögensausschuss noch erörtert werden. Dessen Vorsitzende Dilek Kolat (SPD) erwartet für die Sitzung am 20. Juni nähere Informationen über den Vertrag, der allerdings nicht zustimmungspflichtig sei. Senatssprecher Michael Donnermeyer hält sich zurück, sagt nur: „Das ist sehr vertraulich gelaufen.“

Wie die Sprecherin des Fonds, Irina Dähne, mitteilte, werde der geplante Bau einer Hauptstadtrepräsentanz Berlin gut tun. In diesem Fall sei im „Entwicklungsgebiet Hauptstadt“ eine Direktvergabe rechtlich möglich. Thyssen-Krupp hat, wie berichtet, das Grundstück, noch Straßenland, zum Verkehrswert von 1,56 Millionen Euro erworben. Das Unternehmen will für die Repräsentanz einen Architektenwettbewerb ausloben und das Gelände auf eigene Kosten baureif machen. Dieser Betrag wird mit dem Kaufpreis verrechnet.

Sie sei verwundert über die öffentliche Aufregung, sagt Petra Rohland aus der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Die Bebauung des Grundstücks am Schlossplatz sei seit Jahren im „Planwerk Innenstadt“ verankert. Man habe nichts geheim gehalten. Wenn auch der Kaufpreis niedrig wirke, so müsse doch viel Infrastruktur geschaffen werden, „denn hier hat ja kein Gebäude gestanden“.

Das Land Berlin habe sich jedenfalls nicht über den Tisch ziehen lassen. Es sei die Philosophie des Städtebaus, Lücken zu schließen und zu bebauen. Abteilungsleiter Hilmar von Lojewski ergänzt, Thyssen-Krupp habe gegenüber dem Land Berlin Interesse an einer Repräsentanz bekundet und das Land habe ein passendes Grundstück bereitgestellt. Der Bau sei ohne Bebauungsplan genehmigungsfähig. Es werde ein Würfel mit vier Geschossen sein, der den Schlossplatz nach Süden markiere, den Umgebungsschutz des einstigen Staatsratsgebäudes mit der Managementschule berücksichtige.

Der Abgeordnete Esser, Aufsichtsratsmitglied im Liegenschaftsfonds, sagt, er habe von den Verkaufsabsichten nichts gewusst. Offenbar sei das Unternehmen privilegiert worden. „Das ist mistig verlaufen.“ Die „Plattform Nachwuchsarchitekten“, die kritisch die Stadtentwicklung beobachtet, sprach von einem „dubiosen Grundstücksverkauf. Der Preis sei ein Schnäppchen, „ausgerechnet Thyssen-Krupp werde von diesem großherzigen Almosen profitieren“. Es müsste ein Bieterverfahren für das Areal geben, der Verkauf dürfe nicht ungeprüft durchgehen. Thyssen-Krupp-Sprecherin Alexandra Klemme will sich nicht näher äußern. Die Verträge seien unterzeichnet, aber das Geschäft „noch nicht in trockenen Tüchern“. So müsse noch mit den Wasserbetrieben über die Überbauung eines Regenwasserüberlaufkanals geredet werden. Thyssen-Krupp trage die Kosten, um das Grundstück bebauungsfähig zu machen.

Der Berliner Immobilienexperte Gottfried Kupsch sagt, ein Bieterverfahren sei in einem Fall wie diesem unüblich. Wenn Konzerne sich mit einem hochrangigen Projekt ansiedeln wollten, werde jede Stadt wie Berlin handeln. Große Konzerne würden sich erfahrungsgemäß auch nie an Bieterverfahren beteiligen, es gebe bei ihnen „eine bestimmte Eitelkeit“. Christian van Lessen

Christian van Lessen

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