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Wellensittiche

© A. Meyer

Tierliebhaber: Mit hunderten Wellensittichen unter einem Dach

Ein 60-jähriger Frührentner funktionierte seine Wohnung zur Voliere um. Als die Gesundheitsbehörde kontrollierte, öffnete er ein Fenster.

In seiner schimmelnden Zwei-Zimmer-Wohnung an der Spandauer Frobenstraße hat ein 60-jähriger Mann Hunderte von Wellensittichen gehalten. Als allerdings jetzt das Gesundheitsamt anrückte, ließ er einen Teil der Vögel fliegen. Eine Möglichkeit, die verbliebenen Sittiche kurzfristig in ein Tierheim zu schaffen, sieht die Behörde nicht.

Die Frobenstraße ist eine ruhige Wohnstraße mit sanierten Altbauten. Der Vogelfreund lebt im obersten Stock eines der Gebäude. Die Vorhänge der Wohnung sind geschlossen, aus den Blumenkästen auf dem Balkon ragen vertrocknete Pflanzen, auf das Klingeln öffnet niemand.

Nachbarn hatten sich bei der Hausverwaltung beschwert, die nach einem Besuch bei dem Frührentner Anfang dieser Woche das Gesundheitsamt verständigte. Die Amtstierärztin traute ihren Augen kaum. In dem mit Ästen dekorierten Wohnzimmer, in Küche und Bad schwirrten 300 bis 500 Wellensittiche umher. Vogelkot und hohe Luftfeuchtigkeit hatten zu Schimmelbildung geführt.

Der Wohnungsbewohner habe die Sittiche im Laufe der letzten Jahre gesammelt und sogar eine kleine Krankenstation für flugunfähige Tiere eingerichtet, sagte Gesundheitsstadtrat Martin Matz (SPD). Bevor die Wellensittiche in ein Tierheim gebracht werden können, müsse ausgeschlossen werden, dass sie an ansteckenden Seuchen wie der Papageienkrankheit leiden. Drei Vögel und Kotproben wurden zur Untersuchung sichergestellt. Bis die Ergebnisse vorliegen, kann noch eine Woche vergehen.

Als die Amtsvertreter den Sittichsammler am Donnerstag ein zweites Mal besuchten, öffnete dieser ein Fenster. Wie der Stadtrat berichtete, begründete der Mann dies damit, man habe ihn doch aufgefordert, die Wohnung häufiger zu lüften. Rund 80 Vögel dürften entkommen sein, schätzt Almut Malone vom Avian Vogelschutz-Verein. Im Winter haben sie draußen nur geringe Überlebenschancen, einige wurden bereits tot aufgefunden. So wie Malone haben zahlreiche Anwohner einen oder mehrere Wellensittiche eingefangen und bei sich aufgenommen. Auch bei der Polizei wurden Vögel abgegeben.

Solange unklar ist, ob die Sittiche gesund sind, sollte man vorsichtig mit ihnen umgehen, den Kontakt mit anderen Haustieren und Kindern vermeiden, rät Stadtrat Matz. Einzelne Vogelkadaver dürfe man im Hausmüll entsorgen. Matz sieht aber keine Möglichkeit, die restlichen Sittiche sofort abholen zu lassen.

So lebt der Mann mit den Vögeln vorerst weiter unter einem Dach. Man habe ihn auf die mögliche Gesundheitsgefahr hingewiesen, sagte Martin Matz. Eine Rechtsgrundlage, ihn gegen seinen Willen aus den Räumen zu holen, gebe es nicht. In Kürze wollen Amtsvertreter mit dem Spandauer, der gesprächsbereit sei, „über ein normales Leben ohne eine so große Zahl von Haustieren“ reden. Dem Vernehmen nach hat die Hausverwaltung dem Mieter inzwischen gekündigt.

Rainer W. During

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