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Berlin: Tod unter der Tram

Mann wurde 100 Meter mitgeschleift. Fahrerin erhielt eine Bewährungsstrafe

Als der Bewag-Mitarbeiter vom Arzt kam, hätte er die Welt umarmen können. Kein Krebs. Vorbei die Sorgen, die sich der Familienvater gemacht hatte. Bernhard D. ging in eine Kneipe. Er wollte sein Glück begießen. „Ich fange ein neues Leben an“, sagte er am Nachmittag zu einem Gastwirt. Fünf Stunden später war alles vorbei. Der 54-jährige D. stürzte an einer Haltestelle zwischen die beiden Wagen einer Straßenbahn, wurde 100 Meter mitgeschleift und überrollt.

Der Tod unter der Tram 23 hatte für die Fahrerin gestern ein gerichtliches Nachspiel. Birgit O. wies den Vorwurf der fahrlässigen Tötung zurück. Als sie am 7. Januar letzten Jahres in den Bereich der Haltestelle Kopernikusstraße in Friedrichshain einfuhr, habe sich dort niemand befunden. Da auch kein Fahrgast aussteigen wollte, sei sie langsam auf die Ampel zugerollt. Entgegen der Anklage sei sie zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht gewarnt worden. „Wenn mich jemand angesprochen hätte, wäre ich gar nicht losgefahren“, beteuerte die 44-jährige Frau aus Marzahn lächelnd. Eine Entschuldigung bei den Hinterbliebenen aber blieb aus.

Bernhard D. lief um 20.17 Uhr torkelnd auf die Bahn zu. Ein Fahrgast sah den Mann stürzen. „Stopp, Stopp“, habe er gebrüllt und gegen die Fahrerkabine geschlagen. Birgit O. hielt ihn laut Anklage für einen Fahrgast, der die Haltestelle verschlafen hatte; sie fuhr los. Der aufgebrachte Zeuge, ein 46-jähriger Busfahrer, dachte nicht an die Notbremse. „Ich war perplex, als der Zug anfuhr“, sagte er.

Bernhard D., Vater einer 14-jährigen Tochter, wurde überrollt, entlang der Warschauer Straße mitgeschleift. Gefunden wurde die Leiche erst zwei Stunden später. Bis dahin rollten 24 weitere Fahrzeuge über den Toten.

Ein technischer Gutachter erklärte im Prozess, dass die Fahrerin den Fußgänger hätte bemerken müssen. Für mindestens drei Sekunden sei er im Außenspiegel zu sehen gewesen. Das Amtsgericht Tiergarten hatte schließlich keine Zweifel an der Schuld der Angeklagten. Sie habe durch Unachtsamkeit und Missachtung von Warnungen eines Fahrgastes ihre Sorgfaltspflicht schwer verletzt. Gegen die derzeit als Pförtnerin bei der BVG tätige Frau erging eine Strafe von einem Jahr Haft auf Bewährung. Zudem muss sie eine Geldbuße von 2400 Euro zahlen.

Kerstin Gehrke

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