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Berlin: Todessprung vor den Augen der Nachbarn

14-Jähriger stürzte sich aus seinem Zimmer im vierten Stock. Er war zuvor als Ladendieb erwischt worden

Ein 14-jähriger Junge hat sich am Sonnabendnachmittag nach einem Ladendiebstahl aus dem vierten Stock der Wohnung seiner Eltern in Friedrichshain gestürzt und starb noch am Ort an seinen schweren Kopfverletzungen.

Nur eine Dreiviertelstunde zuvor war der Junge in einem Friedrichshainer Geschäft von zwei Angestellten dabei erwischt worden, wie er mehrere Zinnfiguren im Wert von 20 Euro gestohlen hatte. Die Mitarbeiter riefen die Polizei. Die Beamten nahmen eine Anzeige auf und brachten den Jungen anschließend nach Hause zu seinen Eltern in die Bänschstraße. „Die Mutter nahm den Vorfall angemessen und ruhig auf“, hieß es bei der Polizei. Als die Beamten gegen 16.25 Uhr die Wohnung wieder verlassen hatten, riefen ihnen plötzlich Anwohner zu, dass ein Junge sich aus dem Fenster gestürzt habe und nun in den Blumenrabatten des Hofes liege. Die Polizisten alarmierten sofort den Notarzt und einen Rettungswagen, die wenige Minuten später eintrafen. Offenbar kämpften die Retter noch eine knappe halbe Stunde um das Leben des Jungen. Um 17.01 Uhr gaben sie über Funk an die Leitstelle bekannt, dass das Kind tot ist.

Hätte der Jugendliche gegenüber der Polizei auffallend ängstlich oder depressiv reagiert und Furcht vor den Eltern geäußert, wäre er nicht direkt nach Hause gebracht worden. In solchen Situationen rufen die Beamten nach einem Ladendiebstahl zuallererst den Kinder- oder Jugendnotdienst herbei. Dessen Mitarbeiter sprechen mit dem erwischten jungen Dieb und entscheiden danach, ob sie ihn zu den Eltern begleiten oder fürs Erste eine Bleibe im Notdienst anbieten.

Die Gründe für eine tragische Kurzschlusshandlung bei Jugendlichen können sehr vielfältig sein. „Vielleicht haben sie Angst vor den Eltern oder wollte sie nicht beschämen. Vielleicht fühlen sie sich als komplette Versager und meinen, den eigenen Ansprüchen oder denen ihrer Umwelt nicht zu genügen“, sagt der Vize-Leiter des Jugendnotdienstes, Andreas Neumann-Witt. Jugendliche in der Pubertät sind nach seinen Erfahrungen stärker suizidgefährdet als Kinder und Erwachsene, „weil sie auf der Suche nach dem eigenen Leben sind und sich dabei oft komplett in Frage stellen“. In der Regel seien sie dadurch „besonders ausgeprägt emotional gesteuert“. Das betreffe Jugendliche jeder sozialen Zugehörigkeit und Bildungsschicht. Er rät Eltern, Signale ernst zu nehmen. Wenn ein Jugendlicher öfter Suizidgedanken äußere, sei dies möglicherweise ein erster Hilfeschrei. Fühlen sich die Erwachsenen überfordert, können sie ebenso wie ihr Nachwuchs die Hilfe der Sozialarbeiter und Psychologen bei den Notdienststellen in Anspruch nehmen.

Kontakt: Kindernotdienst, Gitschiner Straße 48, Tel.: 610061; Jugendnotdienst, Mindener Straße 14, Tel.: 3499934.

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