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Berlin: „Tödliche Botschaft“

Bezirksbürgermeister befürchten: Wenn Kaufhäuser schließen, veröden ganze Einkaufsstraßen

Könnten durch die Karstadt-Krise wichtige Berliner Einkaufsstraßen veröden? Neuköllns Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) macht sich bereits Sorgen um die Karl-Marx-Straße. Schon jetzt gehe dort das „Schreckgespenst Leerstand“ um. Das markante Postgebäude steht leer, und sollten Hertie und Sinn Leffers gegenüber auch geschlossen und stillgelegt werden, „wäre das eine Katastrophe, eine tödliche Botschaft“. Hinzu kommt der Wegfall von Arbeitsplätzen im ohnehin am meisten von Arbeitslosigkeit betroffenen Bezirk.

Wenn Karstadt die Filialen wenigstens nur verkaufen wolle, bedeute dies noch keine Bedrohung, sagt Buschkowsky. „Der Name der Leuchtreklame ist nebensächlich.“ Die Einkaufsstraße allerdings benötige Geschäftsmagneten, von denen auch der kleine Einzelhandel profitiert.

Buschkowskys Sorgen decken sich mit Befürchtungen seiner Bezirkskollegen in Schöneberg, Reinickendorf, Mitte und auch des Städte- und Gemeindebundes. Letzterer warnte gestern vor einer „weiteren Verödung der Innenstädte durch die drohende Schließung von Karstadt-Kaufhäusern“. Das Unternehmen habe eine Verantwortung und müsse mit den Kommunen gemeinsame Konzepte für eine weitere Nutzung erarbeiten.

Warenhäusern wird noch immer eine Magnet-Funktion für die Belebung von Innenstädten und für die Stadtentwicklung zugeschrieben. Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS) billigt Einkaufszentren und Warenhäusern zu, „wichtige Initialzündung“ für die jeweilige Umgebung zu sein. „Überall da, wo Warenhauspaläste entstanden, begann sich bald in naturgemäßer Folge ein überaus reger Verkehr zu entwickeln“, schrieb schon 1908 der Autor Leo Colze. Die Zerstörungskraft des Warenhauses auf kleine Spezialgeschäfte sei eine „Ammenmär“. Colze wird in einem Buch über den Warenhauskönig Oscar Tietz zitiert, das Nils Busch-Petersen vom Einzelhandelsverband geschrieben hat. Der Geschäftsführer sieht das Warenhaus als Kern regionaler Handelszentren, „wichtig für die Stadt wie ein Opernhaus“. Immerhin sei es eine gute Nachricht, dass Karstadt die Mehrheit seiner Häuser in Berlin weiterführen wolle. Man könne nur hoffen, dass es für die von Verkauf und Schließung bedrohten Häuser in Berlin eine vernünftige Nachnutzung gebe, wie es sie für das einstige Hertie-Haus am Mehringdamm mit einem Teppichmarkt gegeben habe. Allerdings besitze Berlin mit rund vier Millionen Quadratmetern Verkaufsfläche im Handel eine halbe Million zu viel, hinzu komme ein bereits ausgewiesenes Potenzial von 400000 Quadratmetern. Berlin sei eine arme Stadt und in der Kaufkraft hinter anderen Metropolen wie München oder Frankfurt „weit abgeschlagen“. Kerstin Dörhöfer, Professorin für Architektur und Urbanistik an der Universität der Künste, glaubt, dass Einkaufsstraßen am besten nach dem „Hundeknochenprinzip“ funktionieren, mit großen attraktiven Anziehungspunkten an beiden Seiten – wie etwa Wertheim und KaDeWe zwischen Kurfürstendamm und Wittenbergplatz. Die Krise der Warenhäuser, die nun nach neuen Konzepten suchten, sei auf die Vielzahl von Shopping-Centern zurückzuführen, in Berlin habe man in den letzten zehn Jahren rund 30 errichtet, wobei es allerdings im Ostteil der Stadt großen Nachholbedarf gegeben habe. Inzwischen aber sei der Markt gesättigt, sagte Kerstin Dörhöfer, die an einem Forschungsprojekt über Shopping-Center arbeitet.Befürchtungen, durch die Schließung von Warenhäusern würden ganze Einkaufsstraßen veröden, hält sie für übertrieben. „Das Leben ist nicht nur Handel.“Seite 17

Christian van Lessen

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