zum Hauptinhalt
Die sogenannten „Pop-up Toiletten“ gibt es schon in London und in Amsterdam.

© Promo

Toilettenmangel bei Großveranstaltungen: Fahrstuhlpissoirs gegen Wildpinkler

Bei Großfeten wie dem Karneval der Kulturen hat Berlin ein Entsorgungsproblem. Sind ausfahrbare Toiletten die Lösung? Die Grünen sagen: Macht mal! Die CDU ist skeptisch.

Pissen, bis der Boden sauer wird – das ist in Berlin spätestens seit der Loveparade Volkssport. Das Myfest, der Karneval der Kulturen, die WM-Partys auf der Fanmeile haben alle das gleiche Problem: Es gibt nicht genug Toiletten, es sind zu viele Menschen, es wird zu viel Bier getrunken. Von Anwohner kommen dann regelmäßig Beschwerden, wie jüngst wieder beim Myfest, wo Wartende bis zu einer Stunde vor den Toilettenhäuschen ausharrten, während weniger disziplinierte Partygänger die Mauern des Görlitzer Parks in eine Latrine verwandelten.

Städte wie London und Amsterdam begegnen dem Problem seit neuestem mit sogenannten „Pop-up Toiletten“ – Pissoiren, die tagsüber im Boden versenkt werden und die Nachts, wenn die Partygänger aus den Bars und Pubs taumeln, ausgefahren werden. Großer Vorteil: Tagsüber stören sie nicht; weder sieht noch riecht man sie.

Sowohl in Amsterdam als auch in London ist man sehr zufrieden. 15 Stück wurden in London installiert, neun in Amsterdam. Besonders gut kämen sie vor Pubs an, so ein Vertreter der City of London. In Amsterdam sieht man die Toiletten mittlerweile als große Hilfe, um das Wildpinkeln einzudämmen. „Sie helfen wirklich sehr“, meint Stephan van der Hoek von der Amsterdamer Stadtverwaltung. „Wir kriegen sehr viel weniger Beschwerden von Anwohnern, seit wir die Toiletten installiert haben.“

Die Grünen fordern mehr Experimentierfreude

Für Pop-up-Toiletten gibt es derzeit nur einen Hersteller, die niederländische Firma Urilift. Die hat laut ihrem Sprecher Wim Hermans bereits 200 Toiletten in ganz Europa installiert. Ganz billig ist das Modell nicht: Das kostengünstigste Modell mit nur einem Urinal kostet – ohne Installation – 27000 Euro.

Antje Kapek, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Abgeordnetenhaus, findet das Modell „grundsätzlich interessant“. Ihrer Meinung nach wären die Toiletten besonders dort von Nutzen, wo regelmäßig Großveranstaltungen stattfinden, wie etwa an der Straße des 17. Juni. „Wir müssen auf jeden Fall etwas gegen Wildpinkler tun.“ Die nervten nämlich nicht nur die Anwohner, sondern würden langfristig auch die Pflanzen und Bäume in den Parks schädigen. Kapek forderte mehr Experimentierfreude, um das Problem in den Griff zu bekommen: „In London und Amsterdam werden solche Sachen einfach mal ausprobiert.“

Carsten Spallek (CDU) hält dagegen wenig von den Toiletten der Firma Urilift. Er ist als Stadtrat für Stadtentwicklung im Bezirk Mitte auch für die Straße des 17. Juni zuständig. „Was ist denn eigentlich der Mehrwert von Pop-up-Pissoirs? Wieso nicht einfach feste Pissoirs?“ Außerdem verweist er darauf, dass die Toiletten nur Männern Abhilfe verschafften. „Was machen dann die Frauen?“

Die erste Toilette ist schon explodiert

Zwar bietet die Firma Urilift mittlerweile auch die „Urilady“ an: ein Modell mit zwei Männerpissoirs und einer Frauentoilette. Die „Urilady“ wurde allerdings bisher noch nirgendwo installiert und dürfte noch mal deutlich teurer sein als die Sparvariante mit nur einem Pissoir. Genauere Angaben zum Preis wollte die Firma Urilift nicht machen.

Ganz billig ist das Modell nicht: Das kostengünstigste Modell mit nur einem Urinal kostet – ohne Installation – 27000 Euro.
Ganz billig ist das Modell nicht: Das kostengünstigste Modell mit nur einem Urinal kostet – ohne Installation – 27000 Euro.

© Promo

Spallek setzt stattdessen an der Straße des 17. Juni auf ganz konventionelle Toilettenhäuschen: dauerhaft überirdisch und zum Sitzen. Zehn bis zwölf Stück sind derzeit geplant, zum Stückpreis von 150 000 bis 200 000 Euro. Diese Variante ist zwar deutlich teurer als es die Pop-up-Pissoirs wären, sie bietet dafür aber auch mehr Komfort und Privatsphäre. Zwei Stück wurden mithilfe von Sponsoren in letzter Zeit bereits errichtet. Die Sponsoren nutzen die Häuschen im Gegenzug als Werbefläche. „Flächendeckende Pop-up-Pissoirs kann ich mir derzeit nicht vorstellen“, sagt Spallek.

Damit ist er auf einer Linie mit einer anderen deutschen Großstadt, die bereits Erfahrung mit den Urilift-Toiletten gemacht hat: In Köln stehen die Toiletten bereits auf einem Privatgelände am Hafen. Trotzdem entschied sich die Stadt Köln letztendlich gegen das Modell, weil es weder für Rollstuhlfahrer noch für Frauen zugänglich ist.

In Amsterdam gab es währenddessen bereits den ersten Unfall mit einer Pop-up-Toilette: Aus einer angrenzenden Gasleitung trat Gas aus. Das Toilettenhäuschen aus Edelstahl explodierte und verletzte einen Passanten leicht. Die Gasleitung gehörte nicht zur Toilette.

Johannes Böhme

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false