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Berlin: Toller tafeln

Der Chef kommt zum Essen. Und jetzt? Der versierte Gastgeber bleibt gelassen. Er hat sie intus – die Tricks der Profis

Man glaubt ja, man hat Manieren. Man weiß, dass man ein Weintulpe nicht am Kelch greift und beim Essen das Besteck zum Mund führt – weil es nicht so appetitlich aussieht, wenn man es umgekehrt anstellt. Benimmkurs? Ich doch nicht. Andererseits: Wenn ich mit meiner Chefin zum Essen gehe, unter welchen Umständen hält sie mir die Tür auf?

Benimmtrainerin Salka Schwarz weiß das. Aber zuerst die einfachen Regeln: „Niesen überhört man grundsätzlich“, sagt sie. „Gesundheit“ wünscht der taktvolle Mensch nicht. Man weiß das. Und dieses Wissen lässt einen gelassener zuhören, wenn die Fachfrau aufzählt, was alles falsch laufen kann, wenn man mit dem Chef zum Geschäftsessen geht oder ihn zum Essen nach Hause einlädt. „Das ist die persönlichste Form der Einladung, eine große Auszeichnung. Aber auch eine große Verpflichtung. Umso größer, je wichtiger der Gast ist. Es darf nichts schief gehen.“ Das Essen muss fertig sein. Man sollte wissen, wie man seine Gäste unverkrampft miteinander bekannt macht und wie man der Tischnachbarin rechts von sich galant den Stuhl unterschiebt.

Bevor der Chef am Tisch sitzt, sollte man kennen: die passenden Getränke zum Menü. Und wie man den Esstisch festlich aussehen lässt. Damit kennt Robert Juntke sich aus. Er ist Maître d’Hotel im Marriott. „Beim Menü sollten sich Farbe und Geschmacksrichtungen der Gänge nicht wiederholen.“ Die goldenen Menüregeln sind die Pflicht. Zur Kür gehören ein paar effektvolle Arten, eine Stoffserviette zu falten. Juntkes „Kerze“ steht straff auf weiß gedeckter Tafel. Die Falttechnik begreift auch jemand, der im Segelkurs etwas länger gebraucht hat, sich kompliziertere Knoten als Achter und Palstek zu merken.

„Ein perfekter Gastgeber braucht nicht den maximalen Stress in der Küche. Man kann es sich mit guten Ideen recht einfach machen“, sagt Jens Jüttner, der Küchenchef des Marriott. Klingt gut. Schön, dass Jüttner selbst eine simple, aber grandiose Idee hat: Das Gemüse für seinen Kurs ist vorgeschnitten. Man fühlt sich gleich viel begabter, wenn man nur noch zubereitet: Joghurt-Dips, Gurkenscheiben in Marinade, dazu Brot als Vorspeise. Als Hauptgang Lachs oder Zander auf Schmorgurkengemüse, mit Pommerysenf und Pflaumensauce. Als Dessert gibt’s Mango-Carpaccio mit Schokoladen-Eis. Das jedenfalls wäre einer von Jüttners Menüvorschlägen.

Und dann die Königsdisziplin: Wein auswählen. Bob Rikken leitet das Restaurant im Marriott. Es spricht für ihn, dass er in seinen Weinklassen sein Wissen nicht ständig demonstriert, indem er über Aromen doziert, von denen außer ihm wenige Menschen gehört haben. Rikken lässt Weine verkosten, australische, chilenische und amerikanische. Er nennt das mit verklärtem Blick „eine schöne Reise machen“. Na dann: Schönen Urlaub. Übrigens: Die Chefin könnte mir die Tür aufhalten, wenn sie das Essen bezahlt. Und wenn ich nicht schneller bin.

Marc Neller

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