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Andreas Bourani auf der Bühne - jetzt ist der Mitinitiator der Schütteltrauma-Kampagne

© dpa

Tote durch Schütteltrauma: Kampagne für Babys in Lebensgefahr

Schon 13 Babys sind dieses Jahr in Berlin durch Schütteln der Eltern gestorben. Eine Kampagne soll die Aufmerksamkeit darauf lenken.

Von Fatina Keilani

„In Deutschland ist die Altersgruppe, die das höchste Risiko hat, an Gewalt zu sterben, die Gruppe der Säuglinge.“ Der Berliner Rechtsmediziner Michael Tsokos weiß, wovon er spricht, denn diese Kinder liegen auf seinem Obduktionstisch. „Jede Woche sterben in Deutschland drei Kinder. Diese Kinder werden zu Tode getreten, geschlagen, geschüttelt, ertränkt, verbrüht oder verbrannt“, so Tsokos. Er hat sich gemeinsam mit seiner Kollegin Saskia Etzold – beide leiten zusammen die Gewaltschutzambulanz der Charité –, dem Musiker Andreas Bourani, der Bundestagsabgeordneten Christina Schwarzer (CDU), dem Neuköllner Stadtrat Falko Liecke (CDU) und Rainer Rettinger, Geschäftsführer des Deutschen Kindervereins, am Mittwoch in Neukölln eingefunden, um eine Schütteltrauma-Kampagne zu starten.

„Schreien kann nerven. Schütteln kann töten“, heißt sie. Ein Unterschied zu den mutwilligen Misshandlungen von Kindern durch brutale Erwachsene ist beim Schütteln nämlich: Es geschieht aus Überforderung. Das Baby brüllt und brüllt, die Eltern wissen nicht aus noch ein, irgendwann verlieren sie die Fassung und schütteln es – und fügen ihm damit massive Schäden zu. Ein Fünftel der geschüttelten Kinder stirbt, nur elf Prozent werden wieder ganz gesund. Die meisten tragen schwerste bleibende Schäden davon, Lähmungen, Behinderungen, Erblindung, Epilepsie.

Schon 13 bekannte Fälle in Berlin

Auf diese Gefahren wollen die Kinderschützer aufmerksam machen. In diesem Jahr seien in Berlin und Brandenburg bereits 13 Fälle bekannt geworden, sagte Saskia Etzold bei der Präsentation. Im Film zur Kampagne verstummen Babyschreie ganz plötzlich und hinterlassen gespenstische Stille. Weil es nur 800 000 Euro vom Familienministeriums dafür gebe, könne die Kampagne nicht bundesweit laufen, bedauerte Initiator Rettinger.

„Ich habe als Rechtsmediziner das Gefühl, dass viele Institutionen versuchen, die Situation zu verharmlosen“, sagte Tsokos. Er habe ja nicht nur das Kind auf dem Tisch, sondern auch Einblick in die Ermittlungsakte. Schwachstelle sei vor allem, dass die Beteiligten wie Kinderärzte, Jugendämter, Polizei, Familiengericht und sonstige Beteiligte keine Daten austauschen würden. Ein solcher Austausch könne viele Unglücke verhindern.

Liecke wies auf die Präventionsangebote des Bezirks hin. „Wir haben als einziger Berliner Bezirk eine Schreibabyambulanz, die man rund um die Uhr anrufen kann“, so der Jugendstadtrat.

Aber was soll man denn nun tun, wenn das Kind nicht zu beruhigen ist? „Schallschutzkopfhörer auf, Ohropax rein, notfalls ein bisschen schreien lassen“, rät Tsokos, „denn davon stirbt kein Kind.“ Und Etzold ergänzt: Wichtig sei einfach, den Stresslevel der Eltern zu senken. Die seien oft völlig fertig.

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