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Aufsatteln. Der Radtourismus in Brandenburg läuft rund. Allein auf einem Fernradweg wurde im vergangenen Jahr 15 800 Radfahrer gezählt. Und die meisten von ihnen loben den Zustand der Wege. Doch viele Routen benötigen in absehbarer Zeit eine Sanierung. Für die wird noch nach Geld gesucht. Foto: Patrick Pleul/dpa

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Berlin: Tour mit kleinen Hindernissen

20 Fernradwege führen durch Brandenburg. Ihr Zustand ist gut bis sehr gut – noch. Viele Strecken aber benötigen eine Sanierung. Doch für die Arbeiten fehlt das Geld.

Von Matthias Matern

Berlin/Potsdam – Die meisten Radler sind zu zweit unterwegs, legen durchschnittlich 40 Kilometer zurück und sitzen, Pausen einberechnet, viereinhalb Stunden im Sattel. Um bis zu fünf Prozent hat der Radtourismus im Land Brandenburg Experten zufolge in den vergangenen zwei Jahren zugelegt. In der Beliebtheitsskala der Freizeitradler liegt das Land laut dem aktuellen Länderranking des Allgemeinen Deutschen Fahrrad Clubs (ADFC) nach Bayern und Mecklenburg-Vorpommern an dritter Stelle. Allein auf dem Spree-Radwanderweg, einem von insgesamt 20 Radfernwegen, die durch Brandenburg führen, wurden im vergangenen Jahr 15 800 Radfahrer gezählt. Dem Projekt Radverkehrsanalyse zufolge, das jedes Jahr die Radtouristen landesweit zählt und befragt, wurde 2012 durch die Radwanderer entlang der Spree eine regionale Wertschöpfung von 1,8 Millionen Euro erwirtschaftet.

Insgesamt umfasst das Radwegenetz in Brandenburg mehr als 7000 Kilometer. Laut der jüngsten Umfrage des Projekts Radverkehrsanalyse beurteilen 80 Prozent der Radler die Qualität der Radwege als gut bis sehr gut. Doch viele der Strecken wurden in den späten 90er Jahren angelegt und bedürfen in absehbarer Zeit einer Sanierung. Beim brandenburgischen Infrastrukturministerium geht man von einer durchschnittlichen Lebensdauer von 15 Jahren aus. Bereits vor knapp vier Jahren bezifferte das Ministerium die notwendigen Mittel für Radwege entlang Bundesstraßen auf etwa 6,1 Millionen Euro und entlang Landestraßen auf etwa 6,7 Millionen Euro. Dazu kommen die Erhaltungsmaßnahmen an Radwegen in kommunaler Trägerschaft. Eine aktuelle Schätzung des Investitionsbedarfs gibt es nicht.

Bereits in der Vergangenheit haben der weitere Ausbau und die Instandhaltung von Radwegen für Streit zwischen Land und Kommunen gesorgt. Vor allem in kleineren Gemeinden entlang von Radfernwegen fragt man sich, warum man Schlaglöcher stopfen soll, wenn doch die Radler ohnehin in der Regel nicht im Ort halten, sondern nur durchradeln. Nicht überall lässt sich der volkswirtschaftliche Mehrwert des Radtourismus so gut darstellen wie etwa in Burg im Spreewald.

Dazu kommt nach Ansicht von Karl-Ludwig Böttcher, Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg, dass einige Kommunen finanziell gar nicht in der Lage sein werden, die anfallenden Sanierungskosten zu stemmen. „Das wird sehr schwierig. Einige Kommunen kann das an den Rand der finanziellen Möglichkeiten bringen. Die werden den Zustand ihrer Radwege nicht halten können“, sagt Böttcher. Deshalb sieht der Städtebundchef auch das Land in der Pflicht – Trägerschaft hin oder her. „Man kann kein Landestourismuskonzept auflegen und dann den Gemeinden beim kommunalen Finanzausgleich zu wenig Luft lassen, um ihre Verpflichtungen zu erfüllen“, sagt Böttcher.

Aber auch vom Land ist nicht allzu viel zu erwarten. Auch dort ist das Geld künftig noch knapper als sonst, nicht zuletzt, weil Brandenburg ab 2014 weniger EU-Fördermittel zur Verfügung stehen. Nicht mal an den eigenen Radwegen sieht man sich in der Lage, alle Schäden zu beseitigen. Die jährlichen Mittel im Landeshaushalt in Höhe von einer Million Euro würden den Bedarf nicht abdecken, heißt es in einem Bericht aus dem vergangenen Jahr. „Jetzt beginnt die Phase, in der zunehmend Wurzeln durch die Oberflächen brechen oder Frost die Fahrbahnen zerstört“, sagt auch Jens-Uwe Schade, Sprecher im Infrastrukturministerium. Das Problem sei allen Beteiligten bewusst. „Geeignete Finanzierungsmodelle müssen gefunden werden. Es wird aber sicherlich nicht für jeden Fall eine Lösung geben, einfach weil das Geld nicht da ist.“ Der Radwegebau stehe schließlich in Konkurrenz zu allen anderen Haushaltstiteln.

Volkswirtschaftlich gerechtfertigt sind Investitionen in das Radwegenetz aber allemal, glauben die Projektpartner der Radverkehrsanalyse. Auf Grundlage der Umfrageergebnisse zum Ausgabeverhalten und der aktuellen Kosten für Streckenneubau und Erhaltung haben die drei Partner errechnet, dass selbst bei erheblicher Neubautätigkeit der Umsatz durch Radtouristen die notwendigen Kosten für die Strecken um ein Vierfaches übertrifft.

An dem Projekt Radverkehrsanalyse sind die Tourismus-Marketing-Brandenburg, die Ingenieursgesellschaft Stolz aus Neuss und das Berliner Büro für Tourismus und Radverkehr „Radschlag“ beteiligt. Sie gehen von einer landesweiten Wertschöpfung in Höhe von mehr als 28 Millionen Euro aus. Der aktuellen Untersuchung zufolge geben die Radfahrer im Schnitt knapp 37 Euro am Tag für die Unterkunft, gut 14 Euro in der Gastronomie und 5,40 Euro für den Lebensmitteleinkauf aus. 3,40 Euro schlagen für Freizeitaktivitäten zu Buche.

„Das ist für uns ein Wirtschaftsfaktor“, sagt auch Kerstin Möbes, Sprecherin des Amtes Burg-Spreewald. Das beliebte Ausflugsziel Burg im Spreewald liegt am Spreeradwanderweg. Allein zu Pfingsten 2012 wurden dort an nur einem Tag 2780 Radfahrer gezählt. „Wir gehen davon aus, das jeder Radtourist im Schnitt rund 67 Euro in der Region lässt“, sagt Möbes. Überwiegend handele es sich um Deutsche, aber auch Niederländer seien immer öfter unterwegs. „Die Zahl der Radwanderer nimmt generell zu.“ Längst hätten sich die Gastronomen und Händler in Burg auf die rollenden Gäste eingestellt. „Viele Dörfer haben Fahrradläden und viele Gaststätten sind als fahrradfahrerfreundlich zertifiziert“, sagt die Amtssprecherin – und hofft, dass nicht eines Tages marode Radwege diese Erfolge zunichte machen werden.

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