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Letzte Ehre. Am Tatort wurde des Ermordeten gedacht.

© Thilo Rückeis

Trauer am Tatort: Mahnwache mit Fotos des ermordeten Israelis

Etwa 100 Menschen gedachten an der Ruine der Klosterkirche in Berlin-Mitte des dort erschlagenen Mannes aus Israel. Viele hatten ein Foto des Toten dabei.

Große dunkle Augen, schmaler Oberlippenbart, kurze Haare – dutzendfach wurde das Bild des vor einer Woche ermordeten Israeli am Sonntagnachmittag vor der gusseisernen Pforte des Franziskaner-Klosters in Mitte abgelegt. Mit einer Mahnwache erinnerten etwa 100 Menschen an den 22-Jährigen, dessen Leiche am vergangenen Wochenende in der Ruine entdeckt worden war.

„Das ist ein Appell an die Gesellschaft, sich gegen Gewalt zu erheben“, sagte Mike Samuel Delberg, Leiter des Jüdischen Studentenzentrums in Berlin, während sich die Menschen auf den Stufen vor dem Kloster versammelten. Er hatte zuvor via Facebook zu der Veranstaltung aufgerufen. Mit den Kopien des Fotos, das die Polizei veröffentlich hatte, sollte dem jungen Mann sein Gesicht zurückgegeben werden, hieß es. Als der Körper gefunden wurde, war das Gesicht derart entstellt, dass zur Identifizierung eine DNA-Abgleichung notwendig war.

Die Stimmung bei der Mahnwache war gedrückt, in kleinen Gruppen standen die Teilnehmer beieinander und unterhielten sich leise. Vor Ort beschrifteten viele die ausgedruckten Bilder mit letzten Grüßen: „Ruhe sanft“, „Wir trauern um dich“ und „Schalom! Mein unbekannter Freund“. Jonah Sievers, Rabbiner der jüdischen Gemeinde Berlins, trug einen Psalm vor und sprach ein Gebet. Einige Menschen hatten israelische Flaggen mitgebracht.

„Mit so einem Tod stirbt etwas von einem selbst“, sagte Michael Groys, der das Studentenzentrum gemeinsam mit Mike Samuel Delberg leitet. Unabhängig davon, dass das Opfer ein israelischer Jude war, sei es wichtig, dem in der Fremde Ermordeten diese Ehre zu erweisen. Zugleich kritisierte er aber auch den wachsenden Antisemitismus in Berlin. „Vielen jungen Israelis wird erst hier bewusst, dass sie jüdisch sind.“ Obwohl die Polizei am Freitag einen albanischen Verdächtigen festnehmen konnte, ist über die Hintergründe der Tat weiterhin nichts bekannt. „Ich hoffe, dass es nicht antisemitisch motiviert war“, sagte eine Frau, die von den Stufen auf das Kloster blickte. Das Wichtigste sei jetzt aber die schnelle Aufklärung.

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