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© dpa

Trauer in Berlin: „Heute ist mein Herz in Polen“

Nach dem Tod des polnischen Präsidenten Lech Kaczynski kondolieren in der polnischen Botschaft in Berlin Landsleute, Berliner und die Bundeskanzlerin.

Von Sandra Dassler

Die Kanzlerin spricht sehr leise: Es sei ihr ein ganz persönliches Anliegen gewesen, dem polnischen Volk nach der Tragödie von Smolensk zu kondolieren, sagt sie. Und dass sie und ihr Mann sich noch sehr gut erinnern an einen Besuch beim polnischen Präsidenten Lech Kazcynski auf seinem Landhaus bei Danzig, wo sie „ganz viele Stunden lang über die europäische Geschichte gesprochen“ haben.

Angela Merkel steht mit Joachim Sauer vor der polnischen Botschaft in der Grunewalder Lassenstraße. Auf halber Treppe sozusagen, die unteren Stufen sind mit Blumen und Kerzen übersät. Polens Staatsflagge weht mit Trauerflor auf Halbmast. Gerade hat sich die Kanzlerin in eines der beiden Kondolenzbücher eingetragen. Wegen des großen Andrangs liegen zwei Bücher in zwei Räumen der Botschaft aus. Neben ihnen stehen Fotos von Lech Kazcynski und seiner Frau.

Abgesehen von den Diplomaten aus aller Welt – am Vormittag waren auch schon der georgische, der kasachische und der thailändische Botschafter hier – sind es vor allem in Berlin lebende Polen, die sich eintragen. Fast alle Männer tragen weiße Hemden mit schwarzen Krawatten, viele Frauen weinen.

Auch Halszka Eibenstein ist tief bewegt. Sie wohnt seit Jahren mit ihrem Mann Ralf hier, lebt gern in Deutschland, aber, sagt die junge Frau: „Heute ist mein Herz in Polen.“  Dann umarmt sie ihre Kinder, die vierjährige Letizia und den zweijährigen Max, jedes legt eine Blume auf die Stufen.

Kurz vor der Kanzlerin war Russlands Botschafter Wladimir Kotenjow in die Lassenstraße gekommen. Er redete lange mit Polens Botschafter Marek Prawda. Seine Frau Maria, die einen schwarzen Hosenanzug trug und das zu einem Pferdeschwanz gebundene blonde Haar mit einem schwarzen Kopftuch bedeckt hatte, umarmte die Frau des polnischen Botschafters. „Ich hoffe, dass unsere beiden Völker aus dieser Katastrophe gestärkt hervorgehen“, sagt Kotenjow. „Es ist furchtbar, dass dieses Unglück passiert ist, als wir gerade den nächsten Schritt zur Annäherung gehen wollten.“

Polens Botschafter nickt zustimmend. Marek Prawda hat die Nachricht vom Absturz der Maschine am Sonnabend auf der Autofahrt von Warschau nach Berlin erreicht. „Um 14 Uhr war ich hier“, sagt er. „Ich habe es erst nicht glauben wollen, dann die ganze Zeit telefoniert, und danach war so viel zu organisieren.“

Man merkt Marek Prawda die Erschöpfung an. Wie die meisten Mitarbeiter in der Botschaft kannte er viele Menschen, die in der Unglücksmaschine saßen, persönlich: „Das ist eine Erfahrung, die wir nie mehr im Leben machen wollen.“

Das Ausmaß der Anteilnahme sei unglaublich, sagt er. Schon am Sonnabend hätten viele Menschen vor der Botschaft gestanden. Noch mehr kamen am gestrigen Sonntag und viele davon zur Mittagszeit. „Wir wollten um 12 Uhr hier sein, wenn in Polen die Schweigeminute beginnt“, sagen Marta und Michael Kopka, die aus Schlesien stammen, aber schon länger in Deutschland leben.

Auch am Brandenburger Tor hatten sich kurz vor 12 Uhr etwa rund 100 Deutsche und Polen spontan versammelt, um schweigend der Toten zu gedenken. „Es hilft, wenn man nicht allein trauern muss“, sagt ein Mann. Ruth Henning von der zweisprachigen deutsch-polnischen Plattform Transodra findet: „Zum ersten Mal haben die höchsten russischen Repräsentanten gemeinsam mit den Polen der Opfer von Katyn gedacht. Dass ausgerechnet jetzt neben den polnischen Politikern auch so viele Angehörige der Opfer von Katyn sterben mussten, ist einfach unfassbar.“ Sandra Dassler

Die Polnische Botschaft, Lassenstr. 19, ist täglich von 10 bis 12 Uhr und von 14 bis 16 Uhr für Kondolenzbesuche geöffnet.

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