zum Hauptinhalt

Berlin: Trauer und Anteilnahme: Das gelähmte Symbol - Die Eröffnung des Jüdischen Museums wurde erneut verschoben

Sarah Stellmann steht morgens vor dem Jüdischen Museum und möchte den Leuten da drinnen sagen, dass sie aufmachen sollen. "Heute muss man es als Symbol aufmachen", sagt die alte Dame.

Sarah Stellmann steht morgens vor dem Jüdischen Museum und möchte den Leuten da drinnen sagen, dass sie aufmachen sollen. "Heute muss man es als Symbol aufmachen", sagt die alte Dame. Wie schon am Dienstagabend hatte das Museum seine große Publikumseröffnung gestern früh "aus Trauer und Anteilnahme an den tragischen Ereignissen in den USA" abgesagt. "Ja", sagt Frau Stellmann, "die ganze Welt ist gelähmt." Genau das beabsichtigten die Terroristen: "Unser Leben zu zerstören. Wir sollten ihnen aber nicht diese Macht geben."

Zum Thema Fototour: Das Jüdische Museum in Bildern Sarah Stellmann stammt aus Polen, ist Überlebende des Holocausts. Sie ist vor über 50 Jahren nach Israel gegangen, hat fünf Kinder und fünf Enkelkinder. "Mein Leben ist zurückgekommen." Sie will es sich nicht nehmen lassen. Sie wird am Donnerstag wiederkommen - möglicherweise vergebens. Das Jüdische Museum wollte gestern erst nach Redaktionsschluss entscheiden, ob die Eröffnung am Donnerstag nachgeholt werden soll. So eine Premiere sei ein freudiges Ereignis, sagt Sprecherin Eva Söderman. "Wir möchten nicht, dass sich die Besucher währenddessen Sorgen um ihre Sicherheit machen." Das Museum rechne aber selbstverständlich nicht mit Angriffen.

Nach Sarah Stellmann steigt Ruth Greenfield den Weg zum Portal des Jüdischen Museums hoch. Auch ihr erklärt der freundliche Mann vom Besucherservice, dass geschlossen bleibe wegen der Terroranschläge. Ruth Greenfield dachte am Morgen in ihrem Hotel: "Dies ist der richtige Tag, um ins Jüdische Museum zu gehen." Seit Dienstagnachmittag hatte die Pianistin fast ununterbrochen mit ihren Kindern in New York und ihren Angehörigen in Washington gesprochen. Ein Arzt, ein Fotograf, ein Mitarbeiter im Weißen Haus. "Gott sei Dank, sie leben, sie sind gesund." Trotzdem, sie sei überwältigt von der Trauer um all die Menschen, die umgekommen sind, verletzt wurden oder jemanden verloren haben. Sehr tröstlich sei die ruhige und nette Art der Berliner, ihr zu begegnen, im Hotel oder auf der Straße. Wie die meisten Amerikaner wollte die Musikerin, die zu einer Tagung herkam, so schnell wie möglich zurück. Wegen des Flugverbots in den USA kann sie nicht weg. "Ich bleibe gerne in Berlin", sagt Ruth Greenfield. Ihre lebenslange Angst vor dem Land, in dem die Eltern und Großeltern ihrer Freunde verfolgt und ermordet wurden, sei in den letzten Tagen und Stunden vergangen.

Gar nicht sicher, ob sie überhaupt hätten kommen sollen, sind vier Damen vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung. Die Sekretärinnen des Dahlemer Instituts hatten sich für einen Betriebsausflug ins Jüdische Museum verabredet. Sie sind gekommen - trotz der Sorge um ihren Direktor, der zurzeit an der Yale University lehrt. Sie haben bis nach Mitternacht vor dem Fernseher gesessen, sie haben kaum geschlafen. "Aber es hilft doch nichts, zu Hause oder im Büro zu sitzen und daran zu denken", sagt Karin Bengtson.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false