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Frisch geerntet: Gründerin des Restaurants "Good Bank" Ema Paulin (mitte) mit Babygrünkohl, der in den Indoorfarmen angebaut wurde.

© Doris Spiekermann-Klaas

Trend Vertical Farming in Berlin: Ein Restaurant mit eigener Gemüsefarm

Keine Fahrtwege, mehr Frische: Ein Restaurant in Mitte versucht, Gastronomie nachhaltiger zu betreiben. Doch in manchen Punkten hapert es noch.

Futuristisch sieht es aus in dem kleinen Raum in der Rosa-Luxemburg-Straße. Ein bisschen, als befände man sich in Aldous Huxleys Roman "Schöne Neue Welt": Hinter einem Tresen stehen meterhohe Glaskästen, in denen LED-Leuchtstäbe rotieren. Deren kühl-pinkes Licht nimmt den ganzen Raum ein. Doch Menschenbabys werden hier, anders als in Huxleys Sci-Fi-Klassiker, nicht gezüchtet — dafür Grünkohl und Salat.

"Viele Leute denken erst, das hier sei eine Kunstinstallation", sagt Ema Paulin. Gemeinsam mit Leandro Vergani hat sie das Restaurant "Good Bank" gegründet, das seit Ende März geöffnet ist und mit Nachhaltigkeit wirbt. Paulin kommt aus der Elektromobilität und hat sich viel mit regenerativer Energie beschäftigt, Vergani kommt aus der traditionellen Landwirtschaft, hat in Afrika grüne Bohnen angebaut.

Der Salat wächst im Restaurant

Auf der Speisekarte von "Good Bank": Bowls und Salate aus Quinoa, Süßkartoffeln und Spinat, aber auch verschiedene Fleischvarianten. Ein Teil des Gemüses wächst direkt im Restaurant. Gerade sind das nur zwei Salatsorten und Babygrünkohl, in Zukunft sollen aber weitere Arten dazukommen.

Garten aus der Retorte. Im neu eröffneten Restaurant „Good Bank“ in Mitte muss kein Pflänzchen unter der Kälte leiden.
Garten aus der Retorte. Im neu eröffneten Restaurant „Good Bank“ in Mitte muss kein Pflänzchen unter der Kälte leiden.

© Doris Spiekermann-Klaas

"Vertical Farming" nennt sich das Prinzip, nach dem das Gemüse in den Glaskästen angebaut wird. Diese „Farmen“ stammen von dem Berliner Start-up Infarm. Infarm beschäftigt sich mit dem Anbau von Gemüse an Orten, an denen normalerweise kein Gemüse wächst, weil die klimatischen Bedingungen nicht gegeben sind: kein Sonnenlicht, kein Wasser, kein Wind – perfekt für die postapokalyptische Landwirtschaft, aber auch für den Anbau von Obst und Gemüse in der Großstadt, zum Beispiel in alten Lagerhallen.

Das erklärte Ziel von Infarm ist es, das Gemüse "näher zum Konsumenten" zu bringen, den Gemüseanbau zu dezentralisieren und so lange und unüberschaubare Transportwege zu vermeiden. Der Anbau in den Farmmodulen verbraucht angeblich weniger Wasser als der Anbau auf dem Feld. Die drei Farm-Module, die im "Good Bank" hängen, brauchen demnach nicht mehr Energie als eine professionelle Kaffeemaschine. Außerdem können seltene Kräutersorten in den künstlichen Gärten angebaut werden, etwa verschiedene Minzarten. Paulin träumt davon, im Sommer alle Kästen voller essbarer Blumen zu haben.

Von der Farm direkt auf den Teller?

Theoretisch könnte durch das Ernten auf Nachfrage auch der Lebensmittelverlust verringert werden. Millionen Tonnen Lebensmittel landen durch Verschwendung in der deutschen Gastronomie jährlich im Müll. Aber so ganz "farm to table", also direkt nach dem Ernten auf den Teller, wie "Good Bank" auf seiner Webseite schreibt, läuft es dann doch nicht – wegen der Hygienevorschriften. Der Salat muss gewaschen werden und das kostet Zeit. Darum wird alle zwei Tage geerntet. Um Abfall zu vermeiden, will Paulin in Zukunft mit Foodsavern kooperieren, die unverbrauchte Zutaten abholen.

Von denen gibt es in Berlin viele, auch im Gastronomiebereich. Die App MealSaver zum Beispiel vermittelt Gerichte, die sonst weggeschmissen würden, an Hungrige in der Nähe. Das Restaurant Restlos Glücklich in Neukölln kocht mit geretteten Lebensmitteln aus einem Biosupermarkt – und ist meistens ausgebucht. Nachhaltigkeit ist definitiv ein Trend in Berlin. "Good Bank" mit seinem selbst angebauten Gemüse und den recyclebaren Verpackungen für Gerichte zum Mitnehmen passt da gut rein.

Bei der Nachhaltigkeit hapert es wegen des Fleischgehalts vieler Gerichte. Das ist nicht nur in der Produktion ein echter Klimakiller, sondern auch verantwortlich für einen Großteil der Regenwaldabholzung – laut einer Studie vom WWF werden 80 Prozent der weltweit verfügbaren Ackerlandfläche für Tierhaltung oder den Futteranbau für die Tiere in Anspruch genommen. „Wir wollen nicht dogmatisch sein, sondern einen Bezug zur Nachhaltigkeit herstellen“, sagt Paulin auf Nachfrage, warum sie und Leandro Vergani sich nicht für eine vegetarische Karte entschieden haben.

Sie vergleicht das Konzept mit dem der amerikanischen Automarke Tesla, die klassische Autodesigns mit Elektromotoren ausstattet. Fleischesser sollen sich nicht ausgeschlossen fühlen. Dazu passt auch das Anti-Öko-Design des Ladens. Das könnte dazu beitragen, dass sich Menschen, die mit dem Wort Nachhaltigkeit ungewaschene Haare verbinden, dem Thema annähern. Die neue Welt, die "Good Bank" anstrebt, soll eben auch eine schöne sein.

Good Bank, Rosa-Luxemburg-Str. 5, Mitte, geöffnet Montag bis Sonnabend, 11.30 bis 22 Uhr, Telefon: 33021410
www.good-bank.de

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