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Berlin: Trittin gibt der Mauer eine neue Heimat

Die Reste des Steinwalls am Leipziger Platz sollen in den Neubau des Bundesumweltministeriums integriert werden

Sie gehören zum festen Repertoire der Touristengruppen, die nach Spuren der Berliner Geschichte suchen. Doch schon bald könnten die 25 Meter breiten Reste der Berliner Mauer südlich des Leipziger Platzes verschwunden sein – allerdings nur vorübergehend. Das Bundesumweltministerium will an dieser Stelle der Stresemannstraße seinen neuen Dienstsitz bauen. Baubeginn ist voraussichtlich Ende dieses Jahres.

Während der Bauarbeiten sollen die Mauerfragmente eine Zeit lang entfernt werden, wie der Sprecher von Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne), Michael Schroeren, dem Tagesspiegel bestätigte. Danach soll der bunt bemalte Steinwall allerdings wieder öffentlich zu sehen sein. „Das Mauerfragment wird im Foyer des Neubaus stehen, das für jeden frei zugänglich sein wird“, versichert der Architekt Jürgen Pleuser vom Berliner Büro Geier, Maass und Pleuser.

Er widersprach damit Erich Stanke, dem Besitzer der Mauerstücke. Der befürchtet, dass die Mauer nur noch von Mitarbeitern und Besuchern Trittins betrachtet werden könne. „Die Bevölkerung wird ausgeschlossen“, behauptet der Unternehmer, der 1990 den DDR-Grenztruppen insgesamt 120 Mauerteile vom Potsdamer Platz abkaufte. Architekt Pleuser weist Stankes Vorwurf zurück. „Wir tun alles, die Mauer zu erhalten und sie als ein Strukturelement des Neubaus auch künftig für Besucher zugänglich zu machen.“

Schon in der kommenden Woche sollen vorbereitende Arbeiten an der historischen Stelle beginnen. Pleuser will durch Bohrungen feststellen lassen, an welchen Stellen sich Fundamentreste früherer Bauten befinden, um die Bauplanung daran anpassen zu können. Der eigentliche Baubeginn ist für den kommenden Winter geplant. Fertig soll das neue Bundesumweltministerium, das einen bereits an der Stelle stehenden Altbau integrieren soll, im Jahr 2006 sein.

Trittins Sprecher Schroeren trat am Wochenende Vermutungen entgegen, der Neubau könnte zum so genannten Rutschbahn-Effekt beitragen, sprich: weitere Mitarbeiter des jetzt größtenteils in Bonn angesiedelten Ministeriums in die Hauptstadt locken. Der Neubau soll lediglich die jetzigen Büroräume des Ministeriums am Alexanderplatz ersetzen, sagt Schroeren. Die sind nur gemietet, was von Anfang an als Übergangslösung geplant gewesen sei. Vermutungen, dass das neue Ministeriumsgebäude eines Tages vielleicht neben den 160 Berliner Bediensteten auch die knapp 600 Trittin-Mitarbeiter aufnehmen soll, die noch in Bonn sitzen, weist der Sprecher zurück. „Trittin hat beim Regierungsumzug durchgesetzt, dass 25 Prozent seiner Mitarbeiter in Berlin sein dürfen – damit sollte dem Rutschbahneffekt von Anfang an vorgebeugt werden.“ Zu den Kosten des Neubaus konnte Schroeren gestern nichts sagen. Klar sei allerdings: „Die Finanzierung ist gesichert.“

Wie groß das Interesse an den Mauerstücken ist, zeigte sich auch an diesem Wochenende wieder. Alle paar Minuten spazieren neue Touristengruppen zu der Stelle, an der die kleine Erna-Berger-Straße von der Stresemannstraße abgeht. „Was Sie hier sehen, ist eines der letzten Mauerstücke der so genannten vierten Generation – und es ist wegen geplanter Neubauten bedroht“, erklärt eine Stadtführerin ihrer Besuchergruppe auf Englisch. Dutzendfach klicken Fotoapparate. Die Wandmalereien, die die Touristen festhalten, zeugen von Stankes jahrelangem Kampf für die Erhaltung der Mauer. „Don’t destroy history“, steht auf einem Spray-Bild. Glaubt man der Versicherung des Architekten Pleuser, dürften sich Stankes Befürchtungen spätestens Ende 2006 erledigt haben.

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