zum Hauptinhalt

Berlin: Über böse Kunst und träumende Kritiker

Was gefällt Ihnen besser? Dies: "Mama - Ja - Mama - Ja - Mama, da steht ein Mann!

Was gefällt Ihnen besser? Dies: "Mama - Ja - Mama - Ja - Mama, da steht ein Mann! - Ja - Mama, da steht ein Mann! - Ja - Mama, da steht ein Mann. - Wo? - Mama, da steht ein Mann. - Wo? - Mama, da steht ein Mann." Oder das: "Wadde hadde dudde da? Wadde hadde dudde da? hadder denn da wat, un wenn ja, wat hadder da..." Zwischen den Zitaten gibt es hauptsächlich zwei Unterschiede. Erstens: Mein Rechner unterringelt bei dem einen gar nichts und beim anderen praktisch alles. Ganz erschrocken ist er, der kleine Rechtschreiber meines Schoßcomputers. Zweitens: Das eine Zitat ist von Kurt Schwitters, das andere von Stefan Raab. Daran kann man erkennen, dass Raab ein eher altmodischer Songschreiber ist, ganz traditionelle Avantgarde.

Und jetzt würde ich Ihnen gerne erzählen, was ich letzte Nacht geträumt habe. Es war schrecklich: Ein Rezensententraum. Von heiligen Bergen, nachtblauen Hosen, einem Zar in Brooklyn und vier Glückssuchern in Amerika. Das dazu passende literarische Quartett: David Wagner, Gerhard Roth, Ulrich Schmid, Sibylle Berg. Die richtige Zuordnung überlasse ich Ihnen. Bei Berg steht der Satz: "Passt auf, was ihr träumt, es könnte in Erfüllung gehen." Das will ich nicht hoffen. Obwohl ich nicht aufgepasst habe, beim Träumen, und selber schuld bin. Das kommt vom vielen Durcheinanderlesen. Das ist wie Rotwein, Dosenbier, Anisschnaps und Wodka. Die richtige Zuordnung überlasse ich schon wieder Ihnen. Wenigstens habe ich mich jetzt wieder mal mächtig unauffällig an den nächsten Termin rangepirscht: Am Freitag, 22 Uhr, tritt Sibylle Berg in der Pictureshow-Galerie von Beate Wedekind auf (Kunsthof Oranienburger Str. 27).

Die Asche der irischen Mütter boomt weiter. Neulich im Kino habe ich einen Trailer gesehen. Vom Feinsten diese aparte Armut, dieses hübsche Hungern und all das schöne Wohlfühl-Elend. Kitsch ist das Böse in der Kunst. Okay, ich stecke die Keule wieder weg, sie war ohnehin nicht von mir, sondern von Hermann Broch. Aber unappetitlich ist es schon, wie diese Art von Sozialromantik mit der Lüge hausieren geht, sie stelle Wirklichkeit dar. In den Künsten ist die unveredelte Darstellung von Armut in Wahrheit sehr selten, weil so etwas ästhetisch nicht genießbar ist. Elend ist schmutzig, stinkt und entwürdigt diejenigen, die ihm zum Opfer fallen, weil sie die Elenden selber schmutzig, stinkend, böse und gemein macht. Zu den Erfolgs-Iren der letzten Jahre mit ihrer Armutsaura und ihrem so angenehm gruseligen Katholizismus gehört Roddy Doyle ("Paddy Clarke Ha Ha Ha"). Am Montag um 19 Uhr liest er in der Schaubühne aus seinem neuen Roman "Henry der Held".

Joseph II., ein Kollege von unserem Friedrich, hatte im 18. Jahrhundert die glorreiche Idee, wiederverwendbare Särge einzuführen. Das hat natürlich nicht geklappt, weil man den Leuten nicht so einfach ihren Aber- und sonstigen Glauben abnehmen und ihnen die Bräuche verderben kann. Selbst wenn man ein Herr König und sakrisch aufgeklärt ist. Überhaupt gibt es von der Begraberei so manches zu erzählen, wie Ingomar von Kieseritzky in seinem "Kleinen Reiseführer ins Nichts" bewiesen hat. Warum, kann man sich zum Beispiel fragen, begraben wir eigentlich nicht senkrecht? Am Dienstag um 20 Uhr können Sie Kieseritzky im Literarischen Colloquium um eine Antwort bitten. Enzensberger, Sonntag 11 Uhr 30, Literaturhaus: Start der Ausstellung "Ein öffentliches Leben". Mich beeindruckt an Enzensberger vor allem die handwerkliche Souveränität. Weil er kein Künstler ist, kann er fast alles.

Bruno Preisendörfer

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false