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Berlin: Über den Dächern von Mitte

Eine Sondertour zum Stimmann-Symposium führte Tagesspiegel-Leser hoch hinauf ins Dussmann-Haus. Aus dem siebten Stock überblickten sie die Friedrichstraße – und verglichen Ausblick und Eindruck

Vielleicht ist hier der Ort, an dem Berlin New York so ähnlich ist wie nirgendwo sonst. Vom Balkon im siebten Stock des Kulturkaufhauses Dussmann aus wirkt die Friedrichstraße wie eine Straße in Manhattan, die engen Straßenschluchten ziehen sich bis zum Horizont. Sogar Reinhold Messner soll von diesem Ausblick auf die Friedrichstraße beeindruckt gewesen sein, und man kann davon ausgehen, dass er schon einige beeindruckende Ausblicke gehabt hat. Dunkle Gewitterwolken und Sturmböen lassen die Friedrichstraße von hier oben aus fast ein wenig bedrohlich wirken. Erst der einsetzende Regen treibt 20 Leser und Leserinnen des Tagesspiegels wieder nach drinnen. Sie nehmen an diesem Montag- abend an der Lesertour durch das Kulturkaufhaus Dussmann teil. Anlass ist das Symposium, mit dem der Tagesspiegel eine Bilanz der 15-jährigen Amtszeit von Senatsbaudirektor Hans Stimmann zieht. Vom Balkon aus wird deutlich, wie Stimmann die Wiederherstellung der ursprünglichen Enge, die die Friedrichstraße zu Beginn des 20. Jahrhunderts kennzeichnete, vorangetrieben hat.

Dussmann-Geschäftsführerin Martina Tittel führt die Gruppe nach einem Rundgang durch die verschiedenen Abteilungen in „das Heiligtum von Peter Dussmann“, seine Empfangsräume. Die hat laut Tittel noch nie ein Kunde zuvor zu Gesicht bekommen. Im siebten Stock wurden schon Hillary und Bill Clinton und Bundeskanzler Gerhard Schröder empfangen, bevor auch sie den Blick auf die Friedrichstraße genossen. Bei einem Glas Champagner versorgt Tittel die Teilnehmer mit einigen Details des Unternehmens. Man erfährt etwa, dass Peter Dussmann die Mensa der Universität Peking täglich mit 80 000 Mahlzeiten versorgt.

Die charakteristische Enge der Friedrichstraße empfinden manche Tourteilnehmer als bedrückend. „Ein Schlauch ohne Bäume, auf dem Trottoir muss ich immer springen, weil es so eng ist“, sagt Antje Voss. Die 70-Jährige ist erst vor kurzem nach Berlin gezogen und weiß sich aus der Enge zu befreien. „Ich fliehe nach unten ins Lafayette, da habe ich Luft.“ Dass auf dem Platz neben dem Kulturkaufhaus Dussmann nach dem Abriss des Hotels Unter den Linden nun Geschäftshäuser gebaut werden sollen, ärgert sie. „Es gibt so viele leer stehende Bürogebäude in der Stadt, die Entscheidung hatte rein steuerliche Gründe.“

Dorothee Schaefer empfindet die Friedrichstraße als unpersönlich, „so viele große Klötze.“ Ein Ehepaar aus Lichterfelde ist sich nicht einig, ob die Friedrichstraße mit dem Kurfürstendamm mithalten kann. „Abends ist hier tote Hose“, sagt Ursula Schultze. Ihr Mann Jörg erinnert sich noch an die Zeit kurz nach der Wende, als er oft zur Friedrichstraße fuhr, um die Baufortschritte zu beobachten. „Damals war das hier eine einzige Brache. Ich finde es gut, dass damals die ursprüngliche enge Bebauung berücksichtigt wurde.“ Er zieht die Friedrichstraße dem Westen vor. „Die großzügigen Quartiers, das ist ein großer Kontrast zum Kurfürstendamm, das ist sehr schön geworden.“ Aber auch er hält es für keine gute Idee, das verschwundene Hotel Unter den Linden durch Geschäftsgebäude zu ersetzen. „Büros sind eine tote Sache.“

Die Brachfläche, auf der das Kulturkaufhaus steht, hat Dussmann 1993 gekauft. Dussmann, die Quartiere und die Galeries Lafayette ziehen viele zum Einkaufen in die Friedrichstraße. Ingrid und Ernst Ludwig aus Tempelhof haben vor kurzem festgestellt, dass sie mittlerweile öfter in der Friedrichstraße unterwegs sind als in der City West. „Besonders auf dem Abschnitt von Dussmann fühle ich mich beengt, die Schluchten sind gewöhnungsbedürftig“, sagt Ingrid Ludwig. Einen Park an der Stelle, wo früher das Hotel Unter den Linden stand, hätte sie schön gefunden.

Lisa Zimmermann

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