zum Hauptinhalt

Übergroße Außenwerbung: Reklame soll aus dem Stadtbild verdrängt werden

Viele Städte werden dicht mit Reklameflächen zugestellt. An den Anblick hat man sich wohl oder übel gewöhnt. Doch nun will das "Amt für Werbefreiheit und gutes Leben" die Werbung aus dem Stadtbild verdrängen.

Eine Stadt ohne Werbung? Schwer vorstellbar für die meisten von uns, wenn auch Berlin vermutlich weniger dicht mit Reklameflächen zugestellt ist als viele vergleichbare Städte. Die Ausnahme ist Sao Paulo in Brasilien, wo seit 2010 jegliche Außenwerbung verboten ist – ein Vorbild für den 26-jährigen Politikwissenschaftler Jan Korte, der diese Idee in Berlin durchsetzen will. „Amt für Werbefreiheit und gutes Leben“ heißt die Facebook-Seite, die er jetzt zusammen mit rund 30 Freunden gegründet hat. Dort beschreibt man sich als „Fachbehörde für einen Kiez ohne kommerzielle Außenwerbung“. Kortes Überzeugung ergibt sich logisch aus dem Facebook-Titel: „Werbung verhindert gutes Leben“.

Dahinter steckt einer der gegenwärtig höchst aktuellen kapitalismuskritischen Gedankengänge: Werbung reizt demnach zum Konsum an, was im Sinne der vielbeschworenen Nachhaltigkeit des Lebensstils verwerflich sei – der „Konsumterror“, zentrales Schlagwort der Studentenbewegung, ist unter anderen Vorzeichen auferstanden. Außerdem heißt es, Werbung erzeuge Stress, verschlechtere also die Lebensqualität durch visuelle und auditive Reize und wirke durch neue technische Ansätze immer stärker manipulativ.

Schwerpunkt des Werbefreiheitsamtes soll vorerst der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg sein, der Außenwerbung für Alkohol und Zigaretten bereits verboten hat – dies allerdings eher aus gesundheitsheitspolitischen Erwägungen. Miriam Gieseking, die Sprecherin der Gruppe, kündigt eine erste nicht-virtuelle Aktion für den 27. April an: Dann will man eine Werbefläche in der Schlesischen Straße in Kreuzberg für demonstrative Anti-Werbung nutzen. Daraus könne sich eine „Blaupause“ für die weitere Arbeit ergeben, sagt die 28-jährige Geografin. Ihre Mitstreiter, ganz überwiegend ebenfalls Akademiker, hätten sich über die Idee vom guten Leben gefunden, berichtet sie, „es ist nicht Konsum, der uns glücklich macht“.

Wie sich die Außenwerbung speziell in Berlin in den letzten Jahren tatsächlich entwickelt hat, ist kaum genau zu erfassen. Die Stadt ist bei Werbern begehrt, immer noch auch als Testmarkt. Laut Fachverband Außenwerbung haben die Verbandsmitglieder rund 28 000 Werbeträger in der Stadt aufgestellt – die größten Unternehmen sind Wall mit seiner aus der VVR-Berek hervorgegangenen Tochter „Draußenwerber“ und Ströer.

Beide Firmen nennen keine genauen Zahlen, sprechen aber von einem quantitativen Rückgang. „Wir haben reduziert“, sagt Wall-Specherin Frauke Bank, „setzen auf Qualität und beleuchtete Fläche statt der hässlichen Klebegroßplakate.“ Ohne Werbung aber gäbe es auch kein Geld für BVG-Wartehallen, City-Toiletten und keine anteiligen Gewinnausschüttungen an das Land. „Wildwerbung“ ist auch für sie Umweltverschmutzung.

Typisch für den Trend ist der U-Bahnhof Friedrichstraße mit seinen digitalisierten Anzeigeflächen. „Diese Tendenz gibt es auch bei uns“, bestätigt Mark Sausen von der überwiegend auf Privatgrund tätigen Firma Ströer. „Wir machen weniger, nicht mehr so platt, dafür stärker digitalisiert.“ Den Kritikern nimmt dies den Wind nicht aus den Segeln. Denn sie empören sich besonders darüber, dass die Werbung ihnen zunehmend auch in der Nacht heimleuchtet und damit den nachhaltigen Lebensstil rund um die Uhr untergräbt.

Zur Startseite