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Umstrittene Ermittlungsmethode: Handydatenauswertung: Großer Aufwand, kleine Wirkung

Die Auswertung von Vorratsdaten führt selten zum Erfolg, sagen die Kritiker. Sie befürchten zudem, dass einmal gesammelte Daten missbraucht werden könnten.

Innensenator Frank Henkel (CDU) hat die flächendeckende Auswertung von Handy-Verbindungsdaten für polizeiliche Ermittlungen verteidigt. „Die Kritik an richterlichen Entscheidungen mache ich mir nicht zu eigen“, sagte Henkel dem Tagesspiegel am Freitag. Tags zuvor war bekannt geworden, dass die Polizei seit langem schon systematisch und in großem Umfang Telefondaten ausgewertet hat, um Autobrandstiftern und anderen mutmaßlichen Verbrechern auf die Spur zu kommen. Das hatten vor allem die Opposition und Datenschützer kritisiert. „Ich sehe keine Veranlassung, den Strafverfolgungsbehörden ein falsches Vorgehen vorzuwerfen“, hielt Henkel den Kritikern jetzt entgegen. „Schwere Straftaten müssen mit rechtsstaatlichen Mitteln verfolgt werden.“

Die SPD übte ebenfalls keine direkte Kritik, meldete aber Skepsis an. Innenpolitiker Thomas Kleineidam sagte, die Frage sei vor allem, ob die Auswertungen in der Summe noch verhältnismäßig seien. Er zeigte sich, anders als sein Fraktionskollege Sven Kohlmeier, aber nicht überrascht von den Erkenntnissen. Die Auswertung sei nun einmal bei schweren Verbrechen als Ermittlungsmethode denkbar. Das Thema sei allerdings, beispielsweise im Innenausschuss, nie ausführlich besprochen oder „problematisiert“ worden. Der grüne Abgeordnete Benedikt Lux sagte, es bestehe „dringender Aufklärungsbedarf“. Die Abfrage dürfe nicht Standard sein. Wie Lux sagte, haben die Grünen auf Bundesebene einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt.

Die Staatsanwaltschaft fragt die Daten von Mobilfunkzellen seit Jahren standardmäßig ab. Bei vermutlich politisch motivierten Brandstiftungen an Autos ist damit bereits 2007 begonnen worden. Erfolgreich waren diese Abfragen nach Angaben eines leitenden Ermittlers nicht. Auch jetzt werden bei vermutlich politisch motivierten Taten diese Daten von den Mobilfunkunternehmen angefordert.

In welchen Fällen wurden noch Handydaten ausgewertet?

Auch bei Mord und Totschlag werden die Verbindungsdaten routinemäßig abgefragt.  Wie ein anderer Staatsanwalt berichtete, habe dies an der Aufklärung des Mordes am Bauunternehmer Sodenkamp auf der Fischerinsel 2008 einen entscheidenden Anteil gehabt. Mehrere der Tatverdächtigen hatten nach den Schüssen telefoniert. Auch bei Ermittlungen zu so genannten Enkeltrick-Taten werden Telefonverbindungen überprüft, ebenso bei Raubüberfällen  – überall da, wo das Telefon für Absprachen zwischen Tätern oder bei der Kontaktanbahnung zu Opfern eine Rolle spielen kann. „Bewegungsbilder“ lassen sich aus den Verbindungsdaten nicht gewinnen, versichert ein Staatsanwalt. Weder der Inhalt eines Gesprächs sei bekannt, noch der einer SMS. Der allergrößte Teil der Daten sei nach der Sammelung gelöscht worden. „Natürlich erheben wir Daten unbescholtener Bürger – löschen sie aber sofort wieder“, heißt es bei der Staatsanwaltschaft. Hingegen sagt der Piratenabgeordnete Christopher Lauer: „Wir wissen alle: Wenn man einfach auf Löschen klickt, ist eine Datei nicht weg, sondern kann wieder hergestellt werden.“

Frühere Ereignisse in der Berliner Landespolitik legen nach Aussage des SPD-Abgeordneten Sven Kohlmeier nahe, dass Ermittler es mit der Löschung von Daten nicht immer genau nehmen. Kohlmeier erinnert an das Scannen von Autokennzeichen, das die Berliner Polizei zeitweise durchführte. Die Vorgänge seien zwar nicht unmittelbar vergleichbar, aber damals habe sich im Datenschutzausschuss herausgestellt, dass es bei der Polizei kein Routine-Verfahren zur Löschung gegeben habe. Am Ende seien die Daten „irgendwann gelöscht“ worden, aber ohne geregeltes Verfahren. Die rot-schwarze Koalition habe nun vereinbart, das Scanning neu zu regeln. Sein Fraktionskollege Thomas Kleineidam sagt hingegen, er habe in diesem Punkt ein „Grundvertrauen“ in die Ermittlungsbehörden. Eine Kontrolle hält Kleineidam für unnötig. Auslöser für die aktuellen Erkenntnisse ist ein Einzelfall, eine Autobrandstiftung in der Rigaer Straße 101, zu dem am Donnerstag Dokumente veröffentlicht wurden. Welches Gebiet in Friedrichshain damals betroffen war, zeigt eine Grafik auf der Webseite netzpolitik.org.

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