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Immer noch gilt der Taser rechtlich als „Waffe“ und nicht als „Hilfsmittel wie zum Beispiel der Gummiknüppel.

© dpa / picture alliance

Umstrittener Einsatz: Polizeigewerkschaft: Taser hätte Bewaffneten effizienter gestoppt

In Wedding haben Polizisten mehrfach auf einen Bewaffneten geschossen. Jetzt fordert die Polizeigewerkschaft DPolG eine breitere Ausstattung der Beamten mit Elektroschockern. Derzeit werden die sogenannten Taser nur vom SEK verwendet.

Der am Wochenende von Polizisten im Berliner Stadtteil Wedding niedergeschossene Mann ist außer Lebensgefahr. Der 50-Jährige war wie berichtet am vergangenen Sonnabend mit zwei Messern und einer Axt bewaffnet durch die Antwerpener Straße in Wedding gelaufen. Polizisten überwältigten ihn mit mehreren Schüssen und Tritten. Der Mann wurde im Krankenhaus notoperiert.

Der Vorfall sorgte für zum Teil scharfe Kritik. Ein von einem Zeugen aufgenommenes und im Internet veröffentlichtes Video zeigt, wie mehrere Polizeibeamten dem Mann ins Bein schießen, ihn mit Pfefferspray besprühen und ihm schließlich, als er trotz der vielen Wunden immer noch mit den Messern herumfuchtelt, einmal in den Nacken treten und einen Diensthund auf ihn loslassen. Zuvor hatten die Polizisten den 50-Jährigen mehrfach aufgefordert, seine Waffen niederzulegen.

Die Piratenfraktion will den Vorfall kommenden Montag im Innenausschuss thematisieren. Die Abgeordneten verlangen Auskunft, warum der Gewalttäter nicht ohne scharfe Munition habe gestoppt werden können. „Warum wurde nicht versucht, den Mann mit alternativen polizeilichen Mitteln zu überwältigen? Warum kam das SEK nicht zum Einsatz oder entsprechend geschulte Psychologen?“, fragt der innenpolitische Sprecher Christopher Lauer.

Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) verteidigte das Vorgehen der Polizisten als unumgänglich. Die Situation sei für die Beamten lebensgefährlich gewesen und die besondere Hartnäckigkeit des Täters habe das „gesamte Repertoire polizeilicher Eingriffsmöglichkeiten“ erfordert, sagte DPolG-Landeschef Bodo Pfalzgraf. Er forderte, Polizisten mit Elektroimpulsgeräten, sogenannten Tasern auszustatten, um auf solche Bedrohungsszenarien schneller reagieren zu können.

Ein Taser hätte den aus Reinickendorf stammenden Mann sicher und schnell gestoppt, ist Pfalzgraf überzeugt. Doch diese Geräte verwendet seit 2001 ausschließlich das Spezialeinsatzkommando SEK. Seit nunmehr elf Jahren werden die aus den USA stammenden Geräte „getestet“, wie es im Präsidium hieß. Eingesetzt wurden sie bislang insgesamt 18-mal: 14-mal gegen Suizid-Kandidaten und viermal gegen Straftäter. Jeder Einsatz wurde exakt protokolliert und ausgewertet. Immer noch gilt der Taser rechtlich als „Waffe“ und nicht als „Hilfsmittel wie zum Beispiel der Gummiknüppel. Der damalige SEK-Chef hatte sich schon 2004 für den Taser eingesetzt, da dieser ungefährlicher sei als ein Knüppel, „mit dem man einen Schädel spalten kann“. Der Taser würde die Lücke zwischen Knüppel und Schusswaffe schließen. Pfalzgraf sagte: „Wir werden mit dem Innensenator über die Einführung von Elektroimpulsgeräten reden.“

Vor zwei Jahren schon hatte der damalige Polizeipräsident Dieter Glietsch die rechtliche Gleichstellung des Tasers mit einem Schlagstock gefordert – und war beim Innensenator Ehrhart Körting (SPD) abgeblitzt. Die CDU hatte sich damals als einzige Partei für den Taser stark gemacht. Vom heutigen CDU-Innensenator CDU-Innensenator Frank Henkel lag bis Redaktionsschluss keine Stellungnahme vor.

Abgesehen von den Piraten gab es aus dem Parlament keine Kritik an dem rigiden Polizeieinsatz vom Sonnabend. Einsatz anhand eines kurzen und zudem geschnittenen Videofilms zu werten. Peter Trapp von der CDU betonte, dass der Mann nach den Schüssen schnell entwaffnet werden musste, damit er nicht auf der Straße verblutet. Benedikt Lux von den Grünen sagte, dass der Mann „kampfunfähig gemacht“ werden musste. Geklärt werden müsse nur, ob dazu so viele Schüsse nötig waren.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun gegen den niedergeschossenen 50-Jährigen wegen Bedrohung und gegen die Polizeibeamten wegen versuchten Totschlags.

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