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Berlin: Unbekannt verzogen

Heute schließt das WMF. Nicht zum ersten Mal, aber vielleicht für immer

Die Straßenlaternen tauchen die Uferpromenade entlang der Spree in ein gelbliches Licht, über den Gehweg huschen vereinzelt Menschen, hier und da parken Autos mit auswärtigen Kennzeichen. Viel ist nicht geblieben vom Mythos der Berliner Clublegende, dem WMF Sommerlager am Rolandufer in Mitte. An diesem Sonnabend wird es geschlossen.

Es geht ruhig zu am Eingang um kurz nach Mitternacht. Die bärbeißigen, kahlköpfigen und einst gefürchteten Türsteher begrüßen die Gäste mit freundlichem Hallo. Im überdachten Innenhof des Gebäudes, der mit Videoprojektionen und roten Strahlern in Szene gesetzt wird, fläzen nicht mehr ganz so junge Mädchen und Jungs in den tiefen Sitzmöbeln rund um die Bar. Einige knutschen weltvergessen, andere unterhalten sich und halten sich an einem Glas Gin-Tonic oder Cranberry-Wodka fest. Sie wirken abwesend.

Drinnen versucht ein New Yorker DJ, von dem es heißt, er sei in den Staaten ziemlich angesagt, die Gäste mit gefälligem Disco-House auf die Tanzfläche zu locken. Sie bleibt leer. Erst später werden sich ein paar Menschen zum Tanzen hinreißen lassen und noch später tauchen bekannte Gesichter aus dem Berliner Nachtleben auf: Fetisch, Kaos, Phonique oder Daniel W. Best, DJs, die einst im WMF selbst oft an den Plattenspielern standen. Sie bleiben nicht lange, zucken teilnahmslos mit den Schultern, verschwinden wieder.

Nach fast zwei Jahren also der Abschied aus dem ehemaligen Gasag-Gebäude an der Jannowitzbrücke. Noch einmal werden sich am heutigen Sonnabend die Türen zu dem Labyrinth der retro-futuristisch dekorierten Gänge öffnen, dann ist Schluss. Es sei Teil des Konzepts, immer weiterzuziehen, sagen die Macher, die sich gern wortkarg geben. Damit begründen sie ihr Nomadendasein, den Weggang von ihrem mittlerweile siebten Standort seit Eröffnung des WMF 1991, im Haus des namengebenden Besteckherstellers an der Leipziger Straße. Es lief wohl nicht mehr so gut, meinen jene, die ihre gelegentlichen Besuche angesichts müder Partys mitunter bereut haben. Eine anstehende Mieterhöhung sei der wahre Grund für das plötzliche Aus, wollen andere gehört haben.

Sicher ist: Zwischen den zahllosen Partys in Berlin wird es für das WMF-Team um Gerriet Schultz immer schwieriger, dem Image als unermüdliche, stets getriebene Nachtmacher gerecht zu werden. „Last Party at Sommerlager! See you at next WMF!“ verkündet ein blassrosa Flyer, der für die Abschluss-Party wirbt, halb zuversichtlich, halb trotzig.

Sonnabend ab 23 Uhr: „The End of No Summer“ mit der Drama Society und den Resident-DJs Sascha Funke, Highfish, Sven.VT.

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