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Berlin: Und hinterher noch kellnern

Vergangenes Jahr war Pizzabäcker Spina unter den Letzten. Jetzt will er drei Minuten schneller sein

Soweit die Füße tragen – egal, wie lange sie brauchen. Das war Nazzareno Spinas Motto für seinen ersten Marathon im vergangenen Jahr. Und die Füße trugen ihn tatsächlich bis ins Ziel: Den 25 764. Platz hat er gemacht, nach fünf Stunden und 55 Minuten.

Der 62-jährige Pizzeria-Besitzer aus Reinickendorf lacht herzlich, seine hellblauen Augen werden dabei zu Schlitzen. Damals wäre nämlich fast alles schief gegangen. Die Anmeldung zum Berlin-Marathon 2001 hat er glatt verschlafen. Spina war in seinem Heimatort S. Benedetto del Tronto in Italien im Urlaub. Als er wiederkam, war längst Anmeldeschluss. Er hatte knapp drei Jahre trainiert. Seine Lauf-Erweckung hatte er drei Jahre zuvor gehabt. Da war Spina eher per Zufall den vier Kilometer langen Strand entlanggerannt: Er wollte seiner Frau die Palmen mal nicht von der Promenadenseite zeigen. „Danach war ich süchtig“, erinnert er sich.

Als er mitbekam, dass er den Anmeldeschluss verpasst hatte, schien der Traum erstmal aus. Wäre da nicht ein Freund gewesen, der absagen musste und ihm seine Startnummer überließ: „Das ging ganz problemlos“.

Und so lief Spina in aller Ruhe los und freute sich, seinen Sohn Andreas wie verabredet am Hermannplatz zu treffen. „Die Stimmung insgesamt war schon toll, aber als ich meinen Sohn sah, haben wir uns umarmt und geküsst – nun wollte ich weiter laufen.“ Voller Adrenalin und angepeitscht von den Rufen der Zuschauer keuchte er sich bis Steglitz durch. Wieder stand Andreas am Wegesrand, feuerte seinen Vater an. „Wenn ich es bis hier geschafft habe, dann sehen wir uns bald im Ziel wieder“, versprach Spina.

Die Schuhe fingen an zu drücken. Spinas große Zehen hatten sich schwarz gefärbt. „Aber ich fühlte keine Schmerzen, keine Müdigkeit. Meine Beine wollten laufen“, erzählt er so euphorisch, als durchlebe er das Gefühl noch einmal. Schlusslicht zu sein, machte ihm nichts aus. Spina findet es sogar besser: Schließlich jubeln die Zuschauer dann für einen ganz allein, nicht für eine große Gruppe. „Den Marathon habe ich nur für mich getan.“

Diesmal wünscht er sich, zwei bis drei Minuten schneller zu sein. „Dann weiß ich, dass ich nicht alt geworden bin“, sagt er und grinst. Hinterher steigt in seiner Pizzeria im Gesundbrunnencenter wieder eine Privatparty. Wie im vergangenen Jahr. Da war Spina so aufgeputscht, dass er spät abends nach knapp sechs Stunden Laufen noch seine Gäste bedient hat. Tanja Buntrock

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