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Berlin: Unglaublich locker

Bundespräsident Johannes Rau hat Bellevue ein neues, frisches Image verpasst. Dazu nutzte er auch seine Sommerfeste

Man muss kein Meteorologe sein, um das Wetter an einem Tag des Jahres relativ zuverlässig vorhersagen zu können: Beim Sommerfest des Bundespräsidenten gehört der Regen gewissermaßen zur Tradition. Wenn wie am Freitagabend einmal im Jahr einige tausend Bürger im Garten des Schlosses Bellevue versammelt sind, geht es, entgegen allen anders lautenden Prognosen gar nicht darum zu zeigen, dass die Deutschen ein besonders wetterfestes Volk sind. In der sich zum Ende neigenden Ära Johannes Rau ging es vor allem darum, jenen zu danken, „die mehr tun als ihre Pflicht“. So formulierte es der Bundespräsident in der Ansprache zu seinem letzten Sommerfest. Aber diejenigen, die sich einsetzen und engagieren, nicht um des Geldes, sondern um anderer Menschen willen, spielten in den letzten fünf Jahren gesellschaftlich eine Hauptrolle im Park des Präsidentenschlosses, nicht nur bei den Sommerfesten. Im vergangenen Jahr etwa präsentierten Kinder- und Jugendliche aus allen Teilen des Landes bei der Verleihung des Preises „Jugend hilft“ in verschiedenen Zelten ihre überaus fantasievollen Projekte. „Treffpunkt der Kulturen“ lautete das Motto in dem einen Jahr (2002), in dem ein äußerst subtiler Wettergott ausnahmsweise doch eine laue Sommernacht zur Verfügung stellte. Da trafen sich im Himmel über dem Schlosspark der Schaschlikrauch der türkischen Familien draußen und die Grillschwaden der Bratwürstchen für die Gäste des Bundespräsidenten, die sich zum Teil ja auch für Integration einsetzen. Dieses Fest wird traditionell von Sponsoren und nicht von Steuergeldern bezahlt und organisiert von dem inzwischen pensionierten Ministerialdirektor Walter Karschies, der insgesamt drei Kanzlern und drei Bundespräsidenten gedient hat.

Wer auf der Suche nach dem Mörtel war, der diese Gesellschaft zusammenhielt, war bei den Sommerfesten bei jedem Wetter gut aufgehoben, sie sind wie eine Tankstelle für Optimismus, weil sie in großer Zahl Menschen versammeln, die von positivem Denken getrieben werden. Der Bundeskanzler wurde nicht gesehen, dafür Klaus Wowereit und der Nachfolger im Amt des Bundespräsidenten Horst Köhler mit Frau Eva. Die waren rasch dicht eingeschlossen in einem Kamerakessel. Die Genanz, sich in Anwesenheit des noch amtierenden Präsidenten schon auf den gewählten Nachfolger zu stürzen, sinkt offenbar von Amtszeit zu Amtszeit.

Zum ersten Sommerfest dieser Art hatte Gustav Heinemann rund tausend Gäste geladen. Richard von Weizsäcker griff die Tradition wieder auf. Zu seinem letzten Sommerfest als Bundespräsident 1994 kamen 4000 Gäste, darunter 3500 in Ehrenämtern engagierte. Zu Roman Herzogs letztem Fest kamen fast doppelt so viele. In seiner Zeit ging es immer auch um wirtschaftliche Innovationen. Die Möglichkeiten eines Cargolifters waren ein beliebtes Smalltalk-Thema, das sich inzwischen allerdings erledigt hat.

Johannes Rau hat es nicht nur bei den Sommerfesten geschafft, das Thema Ehrenamt mit einem jüngeren Image zu versehen. Immer wieder waren bei den Ereignissen im Schloss Bellevue Gruppen wie Bro’Sis oder die Prinzen zu Gast. Auch bei den Modegalas, mit denen Christina Rau Geld für Not leidende Kinder auftrieb, traf sich ein junges, internationales, kreatives Publikum im Schloss. „Unglaublich, wie locker das hier ist“, war ein oft gehörter Satz. Auch die Staatsbankette wurden genutzt, um das typisch deutsche Image aufzulockern und zu polieren. Der Chef des Bundespräsidialamtes, Rüdiger Frohn, pflegte nicht nur eine besonders herzliche Ausstrahlung, sondern gab als bekennender Gourmet auch einigen der besten Köche des Landie Gelegenheit, den internationalen Meinungsführern zu zeigen, was in Deutschland jenseits von Sauerkraut alles möglich ist. Zusätzlich konnte er von der Verjüngung der Protokollspitze des Bundespräsidialamtes profitieren, die mit Martin Löer einen ausgewiesenen Kenner jener Kulturprojekte hat, die gleichzeitig anspruchsvoll und ansprechend sind. Zum Schuss war das Schloss, dem man vom Garten aus den Renovierungsstatus nicht anmerkte, noch einmal bunt angestrahlt: himmelblau, orangerot, pink, gelb. Johannes Rau und Frau Christina saßen in der ersten Reihe und lauschten der Kölner Band „Höhner“. Dann stoppte der Regen. Das tut er immer, wenn es fast zu Ende ist, weil dann das Feuerwerk kommt. Diesmal fiel es prachtvoller aus als sonst mit Goldregen und riesigen roten und grünen Feuerblumen am kühlen Nachthimmel, die das Ende eines temperamentvollen Zeitabschnitts feierten. Vielleicht hat sich auch Anna Rau an ihre großen Auftritte im Schloss erinnert. Zum Sommerfest trug sie das beste Outfit. Ihrem dicken schwarzen Steppmantel folgten viele neidische Blicke.

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