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Berlin: Unglück im Britzer Garten: "Es muss geklärt werden, was die Eltern gemacht haben"

Welche Schuld trifft die Eltern? Hätten sie auf den kleinen Samun besser aufpassen müssen?

Welche Schuld trifft die Eltern? Hätten sie auf den kleinen Samun besser aufpassen müssen? Haben sie ihre Aufsichtspflicht verletzt? Diese und ähnliche Fragen versuchen derzeit die Ermittlungsbehörden zu beantworten. Die Umstände, unter denen der Dreijährige am Sonnabend im Britzer Garten in Neukölln ertrunken ist, sind immer noch unklar. Die Untersuchungen dauern an. Am Montag befragte die Polizei die Eltern des kleinen Jungen, die nach dem tragischen Unglück in ihre Heimatstadt Kiel zurückgekehrt waren. Auch wurde die Leiche des Jungen obduziert, um die genaue Todesursache zu ermitteln.

Bislang steht nur fest, dass eine Besucherin des Britzer Gartens die Leiche von Samun am Sonnabend gegen 19.30 Uhr auf dem Wasser des kleinen Sees im Park treiben sah. Jede Hilfe kam zu spät. "Was genau passiert ist, ist noch völlig offen", sagte der Prokurist des Parkbetreibers Grün Berlin, Helmut Siering. Um über Konsequenzen für den Park zu reden, sei es noch viel zu früh. "Wenn die Ermittlungen Erkenntnisse ergeben, wie der Junge starb, werden wir darauf reagieren." Das könnte unter Umständen auch bedeuten: Der Zugang zum See wird für Besucher, die ihre Kinder auch am Montag wieder im flachen Wasser spielen ließen oder sich die Füße kühlten, geschlossen.

Nach Bekanntwerden des tragischen Unglücks ließ Grün Berlin den Boden des Teiches nach unebenen, tiefen Stellen absuchen, die dem Jungen möglicherweise zum Verhängnis geworden sein könnten, sagt Siering. Ohne Erfolg: "Der Boden ist eben, da gibt es keine Kuhle, in die jemand hineintreten könnte." Wie schon vor dem Unfall werde die Planschstelle weiter täglich überprüft - auch die Absperrleine, die den Übergang ins tiefere Wasser markiert.

Im Zentrum der Ermittlungen der Polizei stehen die Eltern des Jungen, die zu einem Besuch bei Freunden in Berlin weilten. Sie haben Berichten zufolge am Ufer Tee getrunken und gegessen, dazwischen immer wieder mit ihrem Sohn Blickkontakt gehabt und ihm gewunken. Ob die beiden tatsächlich ihre Aufsichtspflicht verletzt haben, ist unter Experten umstritten. "Es muss geklärt werden, was die Eltern genau gemacht haben", sagt der Jurist Klaus Geppert, Strafrechtler an der Freien Universität und Richter. "Wenn die inzwischen einen Kaffee getrunken und das Kind alleine gelassen haben, wäre das eine allgemeine Verletzung der Sorgfaltspflicht, weil ein derartiges Ereignis bei einem dreijährigen Kind vorauszusehen wäre." Allerdings dürfe man die Sorgfaltsanforderungen nicht übertreiben: "Ich habe selbst drei Kinder mit meiner Frau groß gezogen. Man kann bei kleinen Kindern nicht in jeder Sekunde da sein."

Das sieht Wolfang Atzler ähnlich. Er ist Direktor der Unfallkasse Berlin, die bei vergleichbaren Fällen in Kitas eingeschaltet wird. "Aufsichtspflicht kann nicht bedeuten, dass Eltern jederzeit hinter jedem ihrer Kinder stehen müssen", sagt der Jurist. "Sondern sie müssen alles dafür tun, dass das Kind sich vernünftig entwickelt und lernt, sich selbstständig zu verhalten." Dazu gehöre, das Kind über Gefahren aufzuklären, damit es sie von sich aus zu vermeiden lernt. Eine vollständige Sicherheit gebe es aber nie. "Bei einem Dreijährigen reicht schon ein kurzer Moment, in dem er stolpert, im flachen Wasser die Orientierung verliert, in Panik gerät und ertrinkt", sagt Atzler. "Das kann in drei Minuten passieren - aber man kann von niemandem verlangen, nicht mal drei Minuten lang wegzugucken."

Neben der Verantwortung der Eltern müsse jetzt auch geklärt werden, ob den Parkbetreiber Grün Berlin eine Mitschuld trifft, sagen die Juristen. "Das ist die heikle Frage, ob es ein Organisationsverschulden gibt", sagt Klaus Geppert. Die Staatsanwaltschaft müsse ermitteln, ob man das Planschen möglicherweise von vornherein hätte unterbinden oder zumindest überwachen müssen. "Es gibt die allgemeine Verkehrssicherungspflicht", sagt auch Wolfgang Atzler. "Wo ich Gefahren öffentlich zugängig mache, bin ich verpflichtet, diese Gefahren zu bannen." Da könne, wie im Britzer Garten vorhanden, ein Warnschild durchaus reichen. Obwohl der dort zu findende Hinweis "Planschen auf eigene Gefahr" aus Sicht des Juristen "Nonsens" ist: "Der Betreiber des Parkes haftet immer dafür, was in seinem Bereich passiert."

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