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Berlin: „Uns hilft keiner mehr“

Thilo Sarrazin will Finanzsenator bleiben. Das Urteil sei kein Grund zur Resignation

Was sagen Sie zu diesem Urteil, Herr Sarrazin?

Natürlich bin ich enttäuscht, das ist doch klar. Andererseits – das Leben geht weiter, und die Botschaft des Urteils ist klar: Uns hilft keiner mehr, wir müssen uns selber helfen. Außer dem gesetzlich vorgeschriebenen Geld aus dem föderalen Finanzausgleich bekommt Berlin nichts zusätzlich.

Welche Bedeutung hat der Richterspruch für die Finanzpolitik der Länder?

Das Urteil hat zwei Elemente. Die Karlsruher Richter sind nicht von ihrer bisherigen Rechtsprechung abgewichen, haben diese aber erheblich eingeengt und verschärft. Die Gewährung von Notlagehilfen wurde zu einem absolut extremen Ausnahmefall erklärt. Ich sehe nicht, dass jetzt noch irgendwelche Länder in absehbarer Zeit Sanierungshilfen bekommen. Auch nicht Bremen und Saarland, die erneut Klage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht haben.

Ist das die Philosophie des Urteils: Die Länder müssen die finanziellen Folgen ihrer Politik nun vollständig selber tragen?

Ja, genau.

Die Richter haben aber auch kritisiert, dass Berlin seine Sparpotenziale bisher nicht voll ausgeschöpft hat.

Das sehe ich etwas anders. Uns wird im Urteil bestätigt, dass sich Berlin den Haushaltszahlen Hamburgs angenähert hat. Allerdings wurden nur die Daten bis 2003 berücksichtigt und nicht das gesamte Berliner Konsolidierungsprogramm, das sehr viel weiterreicht. Auch über die kommende Wahlperiode hinaus. Dieses Programm wurde im Urteil gar nicht beleuchtet: Zum Beispiel der Personalabbau bis 2013, oder der Abbau der Wohnungsbauförderung bis 2019. Diese gewaltigen Einsparpotenziale, die längst beschlossene Sache sind, haben die Richter nicht gesehen. Auch nicht die geplante Angleichung an das Hamburger Ausgabenniveau bis 2008. Berlin hat sich bislang genug angestrengt.

Sie halten das Urteil für falsch?

Ich will keine Richterschelte betreiben. Karlsruhe hat dem Berliner Senat ja durchaus bestätigt, dass wir uns angestrengt haben und dass unser Konzept, einen Primärüberschuss im Landeshaushalt zu erzielen, grundsätzlich richtig ist. Die Logik und der Weg unserer Finanzpolitik der letzten Jahre wurden vom Gericht einstimmig anerkannt. Ob wir noch mehr tun können als bereits eingeleitet wurde, ist dann eher eine Wertfrage. Eine Sache des täglichen Geschäfts.

Jetzt muss noch radikaler gespart werden?

Die Verfassungsrichter haben Hinweise zur Privatisierung der Wohnungsbauunternehmen gegeben – dazu kennen Sie meine Haltung. Das muss aber vom neuen Senat politisch entschieden werden. Ich erinnere auch an meinen vergeblichen Vorstoß 2004 zur Erhöhung der Gewerbesteuer. Auch dazu gab es im Urteil deutliche Hinweise und wir werden sehen, was sich daraus entwickelt.

Sie müssen jetzt eine ganz neue Finanzplanung vorlegen.

Ich werde meine Eckwerte für die Haushaltsplanung der nächsten Jahre in die Koalitionsgespräche einbringen. Am Montag werden SPD und PDS über die Auswirkungen des Karlsruher Urteils in großer Runde diskutieren. Zunächst einmal bleibt es dabei, dass die laufenden Ausgaben (ohne Zinsen) 2007 an die laufenden Einnahmen (ohne Vermögensverkäufe) angeglichen werden. Das sogenannte Primärdefizit ist dann auf Null und wir werden in den nächsten Jahren schrittweise einen nennenswerten und dauerhaften Überschuss aufbauen.

Ein Primärüberschuss…

… von 1,5 Milliarden Euro wäre nötig gewesen, um die Neuverschuldung Berlins langfristig zu stoppen – wenn uns der Bund 30 Milliarden Euro Schulden abgenommen hätte. Bei diesem Ziel bleibt es, trotz des Urteils.

Aber der Konsolidierungsbedarf wird doch beträchtlich größer, wenn der Bund nicht hilft und der Schuldenberg bleibt?

Natürlich steigt der Konsolidierungsbedarf. Wenn der Solidarpakt II im Jahr 2019 ausläuft, fehlen uns knapp zwei Milliarden Euro. Das heißt, wir können dann die jetzigen Mehrausgaben Berlins in den Bereichen Soziales, Inneres und Justiz nicht mehr abdecken.

Trotz dieser widrigen Bedingungen – Sie bleiben Finanzsenator?

Das Urteil ist für mich kein Anlass zur Resignation. Ich sehe das sportlich.

Das Gespräch führte Ulrich Zawatka-Gerlach.

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