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Unterricht für Migrantenkinder: Berlin will Sonderklassen nur auf Zeit

Kinder mit Migrationshintergrund haben häufig mit Sprachdefiziten zu kämpfen. Sollen sie in getrennten Klassen unterrichtet werden? Nein – sagen Bildungsexperten. Mancher Politiker sieht das jedoch anders.

Mischen oder Trennen? Über die schulische Integration von Zuwandererkindern gehen die Meinungen auseinander. Während die einen, wie die CDU, sich für „Sprachförderklassen“ aussprechen, fordern andere, wie die Linke, dass die Schulen nur stundenweise Förderung für bedürftige Schülergruppen anbieten sollen.

Angefeuert wird die Debatte nun durch ein Beispiel aus Kanada, über das der Tagesspiegel am Dienstag berichtete. In Toronto gibt es eine staatliche „afrozentrische Schule“, in der Erfahrungen und Vorbilder aus dem afrikanischen Kulturkreis eine besondere Rolle spielen, um das Selbstbewusstsein und die Motivation der Schüler zu stärken – mit offenbar sehr guten Erfolgen bei einer Bevölkerungsgruppe, die in den regulären Schulen oft die größten Probleme hat. Ein Modell auch für Berliner Kinder aus jenen Einwandererfamilien, die im Schulalltag besonders häufig Schwierigkeiten haben?

Nein – so die einhellige Meinung unter Schulleitern und Bildungsexperten. „Temporär macht die Trennung von Schülern Sinn“, sagt FDP-Bildungspolitikerin Mieke Senftleben. So sei gerade beim Deutschunterricht die intensive Sprachförderung in separaten Klassen effizienter. Danach müssten aber diese Schüler wieder am regulären Unterricht teilnehmen, damit sie ihre Sprachkenntnisse dort anwenden können. Auch was die positive Bezugnahme auf kulturelle Besonderheiten angeht, sieht Senftleben die reguläre Schule in der Pflicht: „Jede Schule sollte sensibel mit den Herkunftskulturen ihrer Schüler umgehen.“ Der Bildungspolitiker der Linkspartei, Steffen Zillich, kritisiert, dass Schulen in Brennpunktvierteln oft nur halb so viele Unterstützungslehrer für die individuelle Förderung haben wie benötigt. CDU-Bildungspolitiker Sascha Steuer ist der Einzige, der sich für eine separate Beschulung von Einwandererkindern mit massiven Sprachdefiziten ausspricht – allerdings auch dies nur auf ein Jahr begrenzt.

Und Özcan Mutlu von den Grünen findet es ebenfalls höchstens für eine auf einige Monate befristete Übergangszeit sinnvoll, Schüler separat zu unterrichten, wie dies bereits bei älteren Quereinsteigern aus dem Ausland der Fall ist. Grundsätzlich lehnen die Politiker eine stärkere Separierung aber ebenso ab wie die Schulverwaltung von Senator Jürgen Zöllner (SPD): „Die Einteilung eines Schülerjahrgangs in Deutsche und Migranten ist weder sachgerecht noch zielführend“, heißt es in einer Stellungnahme der Verwaltung. Es sei die Aufgabe jeder Schule, die Schüler so zu fördern, „dass vorhandene Kompetenzen erkannt, genutzt und individuell weiterentwickelt werden“.

Sogenannte Ausländerförderklassen, wie sie in Berlin bis vor sieben Jahre existierten, wurden aus gutem Grund abgeschafft, findet auch der FU-Erziehungswissenschaftler Hans Merkens. Dort hätten sich lediglich die Defizite der Schüler verstärkt. Solange es nicht genug Lehrer mit Migrationshintergrund oder interkulturellen Kompetenzen gebe, wirke die separate Beschulung der Integration entgegen, statt dazu beizutragen. Auch Renate Lecke, die Leiterin der Neuköllner Nobel-Sekundarschule, plädiert dafür, auf die verschiedenen Voraussetzungen der Schüler höchstens mit temporären Lerngruppen zu reagieren.

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