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Berlin: Ursula Kiepert, grauer Panther

Altes Eisen? Ja, aber enorm widerstandsfähig und in Jahrzehnten kunstvoll geschmiedet.

Altes Eisen? Ja, aber enorm widerstandsfähig und in Jahrzehnten kunstvoll geschmiedet. Da sitzt sie im Hinterzimmer, ihrem kleinen, mit Büchern und Papier vollgestopften Büro vor ihrem Computer, „der wieder mal spinnt“. Ein zartes, feines Gesicht, aus dem Energie leuchtet. „Wir geben nicht so schnell auf“, sagt sie, und man glaubt es ihr. Vor gut einem Jahr hat sie den „kleinen Kiepert“ gegründet, zusammen mit ihrer Tochter Regine, neben ihrem FachliteraturVersand, den sie schon lange Jahre mit gutem Erfolg führt. Das für das Alter Ersparte hat sie in das neue Geschäft eingebracht. Der „ große Kiepert“ war in Insolvenz gegangen, einer von so vielen Sortimentern, denen die Puste im Rennen mit den großen Kulturkaufhäusern ausgegangen ist. Belletristik und Geisteswissenschaften, hatten daraufhin Mutter und Tochter gemeint, müssten gleich gegenüber der Mensa der TU in den drei kleinen, schönen Räumen gehen. 6000 Titel auf 200 Quadratmetern. „Aber die Zeiten sind schlecht, die Leute kaufen nicht mehr.“ Der Umsatz im Mai war besonders deprimierend. Die Miete und die Kosten für das Personal bedrücken Ursula Kiepert. Fünf Teilzeitkräfte sind es noch, mit zehn hat sie vor einem Jahr begonnen. Nun denken Mutter und Tochter viel darüber nach, wie es weitergehen könnte. Vielleicht etwas „Elitäres“, meint die Tochter.

Eigentlich ist die graue Gründerin, die 1925 in Leipzig geboren und dort aufgewachsen ist, gar keine Buchhändlerin. Gleich nach dem 2. Weltkrieg, nach ihrer Zeit als Flakhelferin, war die frische Abiturientin zunächst mal Hilfslehrerin. Dann hat sie Physik und Chemie studiert, in Kenia eine Schule gegründet. Ihr Reiseleiter hatte ihr die große Not in Kenia vor Augen geführt. 1950 heiratete sie in den Westen. Ihr erster Mann studierte Landwirtschaft. Der zweite war dann Jurist. Seit 1962 hat dieser Mann erfolgreich Kiepert geführt. „Alleine“, wie sie betont. Heute darf er bei ihr nicht arbeiten, wenn sie es denn wollte, wegen der Insolvenz. „Ich war immer risikofreudig.“ Wenn die ältere Dame in ihrer blassblauen Bluse und ihrem hellgrauen Kostüm das sagt, dann weiß man: Sie findet auch aus der aktuellen Krise ihres kleinen Buchladens heraus – oder fängt nochmals etwas ganz Neues an.

Heik Afheldt war Herausgeber von „Handelsblatt“, „Wirtschaftswoche“ und Tagesspiegel.

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