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Berlin: Verdi-Chefin im Interview: "Ich erwarte von der SPD andere Akzente"

Susanne Stumpenhusen ist seit Mai Landesvorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi in Berlin und Brandenburg. Sind Sie traurig, nicht mehr mit dem Arbeiterführer Klaus Landowsky verhandeln zu können, der auf Personalversammlungen oft mit viel Beifall bedacht wurde?

Susanne Stumpenhusen ist seit Mai Landesvorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi in Berlin und Brandenburg.

Sind Sie traurig, nicht mehr mit dem Arbeiterführer Klaus Landowsky verhandeln zu können, der auf Personalversammlungen oft mit viel Beifall bedacht wurde?

Ganz bestimmt nicht. Ich habe ihm irgendwann einmal bei der Berliner Stadtreinigung die Ehrenmitgliedschaft angeboten, weil er sich so angebiedert hat. Ansonsten kann ich mich nicht an ernsthafte Verhandlungen mit ihm erinnern. Die Kollegen in den Betrieben haben allerdings immer sehr schnell einen Termin bei ihm bekommen. Bei den Genossen von der SPD ist das schwieriger.

Wie ist das mit Klaus Wowereit? Früher fanden es die Gewerkschaften prima, wenn Sozialdemokraten Regierende Bürgermeister waren.

Nicht überall, wo SPD draufsteht, ist auch Gewerkschaftsinhalt drin. Schon vor der Nominierung von Wowereit zum SPD-Spitzenkandidaten haben wir ihm gesagt, dass die Gewerkschaften nichts davon halten, aus populistischen Gründen Reizthemen aufzugreifen, die völlig ausgelutscht sind. Betriebsbedingte Kündigungen im öffentlichen Dienst, das ist doch ein hanebüchener Unsinn! Es ärgert mich sehr, dass nur die CDU es begriffen hat und für sich in Anspruch nehmen kann "Wir haben den sozialen Frieden in der Stadt gesichert". Und einem SPD-Politiker fällt nichts Besseres ein, als diese alte Geschichte wieder hochzukochen.

Ist der Gesprächsfaden zwischen Gewerkschaften und SPD so dünn?

Wir sind gesprächsbereit. Aber was sich Wowereit unter einem Solidarpakt zwischen dem Senat und dem öffentlichen Dienst vorstellt, ist mir noch schleierhaft. Bisher ist das eine Nullnummer. Den Worten müssen jetzt Taten folgen.

Die SPD will 15 000 Stellen in der Berliner Verwaltung abbauen. Die Grünen bis 2009 sogar 17 500 Stellen. Machen Sie mit?

Die Vorstellungen der Grünen zeigen durchaus Qualität. Und sie haben zugesichert, bei der Haushaltskonsolidierung in den Fragen, die das Personal betreffen, eine enge Abstimmung mit den Gewerkschaften zu suchen. Wenn man sich die Altersstruktur im öffentlichen Dienst ansieht, wird tatsächlich deutlich, dass in dieser Zeit ein sozialverträglicher Stellenabbau realisierbar ist. Wir kritisieren trotzdem, dass die Verwaltungsreform in erster Linie zur Haushaltskonsolidierung genutzt wird. Die Interessen der Bürger spielen keine große Rolle.

Also: Ist ein Stellenabbau in so großem Umfang mit den Gewerkschaften zu machen?

Warum fällt dem neuen Senat als Erstes ein, eine Milliarde Personalkosten zu sparen und 15 000 Menschen in die Wüste zu schicken? In einer Stadt mit so vielen Arbeitslosen. Das ist phantasielos und unkreativ. Den Beschäftigten ist das nicht klarzumachen. In den letzten Jahren wurden schon 50 000 Stellen abgebaut, ohne dass nennenswert Aufgaben weggefallen sind. Arbeitsverdichtung und Produktivitätserhöhung waren die Folge. Dann kam Landowsky, schmiss die Kohle zum Fenster raus, und wir fangen von vorne an. In dieser Situation erwarte ich von den Sozialdemokraten, dass sie andere Akzente setzen. Zuerst muss geklärt werden, welche Dienstleistungen die Verwaltung vorhalten muss und wie sie organisiert werden. Bei einer solchen Aufgabenkritik wird man Bereiche entdecken, in denen sich die Verwaltung vor allem mit sich selber beschäftigt.

Warum sind betriebsbedingte Kündigungen im öffentlichen Dienst ein solches Tabu?

Es gibt eine Vereinbarung zwischen Senat und Gewerkschaften zur Beschäftigungssicherung, die betriebsbedingte Kündigungen bis 2004 ausschließt. Im Gegenzug machen wir den Beschäftigten klar, dass es auch in der Verwaltung keinen Rechtsanspruch auf die ewig gleiche Tätigkeit gibt. Der Arbeitsplatz beim Land Berlin ist sicher, aber das Land Berlin ist groß. Es wird von den Beamten und Arbeitnehmern zu Recht Mobilität und Flexibilität erwartet.

Unterstützen die Gewerkschaften auch Privatisierungen und Auslagerung staatlicher Aufgaben? Die Scholz-Kommission hat teilweise radikale Vorschläge gemacht.

Das sind in vielen Fällen Milchbubenrechnungen. Wir haben zum Beispiel bei der privatisierten Grünflächenpflege und den Reinigungsdiensten in Steglitz und Friedrichshain nachgerechnet. Das Ergebnis: Die Sachkosten, die die öffentliche Hand jetzt dafür zahlen muss, liegen erheblich höher als die eingesparten Personalkosten. Wir wehren uns auch dann gegen Privatisierungen, wenn sie mit einer Verschlechterung der Arbeits- und Einkommensbedingungen verbunden sind. Bei der Gründung der Klinik GmbH haben die Gewerkschaften durchgesetzt, dass die Tarifverträge, die Altersversorgung, die gesetzliche Interessensvertretung und die paritätische Unternehmensmitbestimmung gesichert wurden. Dann gab es keine Veranlassung mehr zu sagen, das machen Gewerkschafter nicht mit.

Waren die Experten von der Scholz-Kommission mal bei Ihnen?

Nein, nie. Die Vorschläge der Kommission erwecken in mir den Eindruck, dass eine schleichende Thatcherisierung in Gang gesetzt werden soll. Der Staat wird nur noch als Gewährleistungsstaat begriffen. Es soll privatisiert werden, wo es nur geht. Natürlich kann man Aufgaben auslagern. Aber es macht nur dann Sinn, wenn die Dienstleistung dadurch besser und billiger wird.

Alle öffentlichen Aufgaben gehören in den öffentlichen Dienst?

Wir möchten, wo immer möglich, öffentliche Dienstleistungen erhalten und sind gleichzeitig daran interessiert, die Effizienz der Verwaltung zu erhöhen. Die Stadtreinigung hat beispielsweise den Anteil ihrer Leitungskräfte erheblich gesenkt. Wenn aber im klassischen Verwaltungsdienst die Stellen der Arbeiter eingedampft und stattdessen die Beamtenstellen erhöht wurden, ist das keine Modernisierung.

Was könnte eine Fusion von BVG und S-Bahn bringen, die der Regierende Bürgermeister erneut angeregt hat?

Was heißt hier Fusion? Wir brauchen eine bessere Kooperation. Jetzt wird wieder über die mangelnde Abstimmung zwischen den Unternehmen geklagt. Aber wir haben doch einen Berlin-brandenburgischen Verkehrsverbund, der genau dies leisten soll. Bevor Herr Wowereit öffentlich Pläne verkündet, von denen ich nur aus der Zeitung erfahre, sollten sich die Vertragspartner an einen Tisch setzen. Das Land Berlin muss als Eigner bzw. Besteller von Verkehrsleistungen für eine bessere Abstimmung sorgen.

Größtes Sorgenkind des Senats ist die Bankgesellschaft. Es wird über einen radikalen Stellenabbau diskutiert...

Wenn sich das bewahrheitet, gibt es einen riesigen Ärger.

Die Finanzsenatorin Krajewski schließt betriebsbedingte Kündigungen nicht aus.

Das ist bis 2004 vertraglich ausgeschlossen. Der frühere Regierende Bürgermeister Diepgen hat immer gesagt: "Pacta sunt servanda - Verträge müssen eingehalten werden". Das erwarte ich nicht nur von Christdemokraten. Bei einem Vertragsbruch sollte sich niemand wundern, wenn die Stimmung in der Bankgesellschaft umkippt. Das sollten sich die Handelnden sehr genau überlegen.

Sind Sie traurig[nicht mehr mit dem Arbeiterf&uum]

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