zum Hauptinhalt

Berlin: Vereint unterm Regenbogen

Verschiedenheit und Recht und Freiheit: Hunderttausende feierten den Christopher Street Day

Die Party beginnt bereits in der U-Bahn. Zum Beispiel in den Zügen der Linie U 2. Es ist Samstagmittag, und auf der Fahrt in Richtung Wittenbergplatz steigen fast ausnahmslos laute Paare oder Gruppen ein. Frauen mit kurzen Haaren. Männer mit knappen Lederhosen und freien Oberkörpern. Wesen, die ihr Geschlecht hinter glitzernden Kostümen, dicker Schminke, falschen Haaren und Wimpern verbergen. Mit dabei: Jürgen und Chris aus Aachen. Sie sind extra wegen des Christopher Street Days nach Berlin gekommen.

„Der CSD, das ist für uns Party und Demo in einem“, sagt Jürgen und nimmt einen Schluck aus seiner Bierflasche. „Um die Hüften zu lockern.“ Denn für ihn und seinen Freund wird der heutige Tag noch lang. Am U-Bahnhof Zoologischer Garten mischen sie sich unter die Massen und ziehen über den Kurfürstendamm bis hin zur Siegessäule. Dort findet ab 17 Uhr die Abschlusskundgebung statt. Mit einer Rede des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit und einem Auftritt der Berliner Pop-Band Mia, auf den sich Jürgen und Chris schon besonders freuen. Im Anschluss daran planen sie, im GMF weiterzufeiern.

Feiern und Tanzen, das wollen wahrscheinlich die meisten der nach Angaben des Veranstalters 450 000 Umzugsteilnehmer. Sie sind zu Fuß oder auf einem der insgesamt 56 Wagen unterwegs. Doch Leichtigkeit und Frohsinn sind nicht die einzigen Anliegen des 28. CSD. Er will auch gegen Diskriminierung von Lesben, Schwulen und Transsexuellen protestieren. „Verschiedenheit und Recht und Freiheit“ lautet das diesjährige Motto. Ein Anrecht, das für Christiane von Haselberg nicht oft genug betont werden kann. „Toleranz ist etwas, das schnell wieder aufgebraucht ist“, sagt sie. Deshalb sei es wichtig, immer wieder dafür einzutreten. Sie selbst ist mit einer Gruppe von 18 Frauen gekommen. Einige von ihnen sind bereits zum 20. Mal dabei.

Um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, haben sich von Haselberg und ihre Mitstreiterinnen alle einheitlich angezogen. Sie tragen luftige Sommerkleider, bunten Kopfschmuck und selbst gebastelte Plakate: „Die Welt zu Gast bei Freundinnen!“ Die „positive Stimmung der WM“ hoffen sie, auch für ihre Sache nutzen zu können. „Die Leute sind uns gegenüber sehr offen. Wir müssen uns nicht mehr verstecken“, sagt von Haselbergs Begleiterin Christiane Olderdissen.

Über das Werben für ein tolerantes Miteinander hinaus steht für die Teilnehmer des CSD auch ein aktueller Vorfall im Mittelpunkt. So protestieren Mitglieder der Gruppe „Queer Berlin“ mit „Free René“-Plakaten für die Freilassung eines während des CSD in Warschau festgenommenen und inhaftierten Berliners. Er sitzt nun schon seit über einem Monat in Untersuchungshaft. „Eine Frechheit“, wie Demonstrant Andreas findet. Und ein Beweis dafür, dass der CSD trotz der vermeintlichen gesellschaftlichen Offenheit gegenüber Homosexuellen nach wie vor seine Daseinsberechtigung hat.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false