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Berlin: Vergleichsarbeiten mit Vorsagen

Steglitzer Oberschule ließ Englisch-Prüfung einen Tag zu früh schreiben – andere Schüler freuten sich. Fachleute kritisieren Tests

Bei den Vergleichsarbeiten der Zehntklässler kommen immer weitere Pannen ans Licht. Wie der Tagesspiegel jetzt erfuhr, hat eine Steglitzer Oberschule eine für gestern vorgesehene Vergleichsarbeit in Englisch bereits am Mittwoch schreiben lassen. Somit konnten die Schüler die Aufgaben an Freunde weiterleiten, die erst planmäßig am Donnerstag ihre Vergleichsarbeiten schrieben. Die Senatsverwaltung für Bildung bestätigte die verfrühte Prüfung, bewertete die Panne aber nachsichtig. Die Arbeiten würden trotzdem gewertet.

„Nicht alle machen gleich beim ersten Mal alles richtig“, sagte die Sprecherin von Bildungssenator Klaus Böger (SPD), Rita Hermanns. Der Schulleiter sprach von einem „Versehen“, für das er die Verantwortung übernehme. Eine Schülerin sagte, sie wisse, dass die Aufgaben weitergereicht worden seien: „Die haben ihre Freunde angerufen und alles erzählt.“ Wie berichtet, ist dies nicht die einzige undichte Stelle bei den Vergleichsarbeiten: Eine unbekannte Zahl von Schülern hatte sich die Aufgaben schon Anfang Mai beschafft, nachdem die Unterlagen an die Schulen verteilt worden waren.

Die Senatsverwaltung für Bildung überlegt jetzt, ob sie künftig ein anderes Verfahren wählt. Genügend Vorbilder gibt es: In Bayern etwa werden die Aufgaben erst am Prüfungstag an die Lehrer weitergegeben. In Berlin schon Tage vorher.

Zunehmende Kritik gibt es auch am Korrekturverfahren. Aktuell gibt es Zweitkorrekturen nur bei Stichproben im Fach Deutsch. Dies reicht nach Ansicht von Fachleuten nicht aus. „Ohne generelle Zweitkorrekturen sind Vergleichsarbeiten nichts wert“, sagt ein leitender Schulbeamter. Er hat von Referendaren und Lehrern erfahren, dass es in Schulen „Absprachen gibt, die Ergebnisse der Vergleichsarbeiten zu schönen“. So wollten sie verhindern, durch schlechte Noten in Verruf zu kommen.

„Wenn das so ist, dann spricht das für eine Zweitkorrektur“, sagt Harald Mier vom Verband der Oberstudiendirektoren. Das sei zwar ein „enormer Aufwand“, aber wohl unumgänglich.

Mier weist noch auf ein weiteres Problem bei den Berliner Vergleichsarbeiten hin: Anders als etwa in Bayern müssen alle Zehntklässler die gleichen Aufgaben lösen. Das Niveau wurde deshalb so gesenkt, dass auch Real- und Hauptschüler eine Chance haben, die Arbeiten zu bestehen. Für viele Gymnasiasten sind die Aufgaben nun zu leicht, so dass sie überdurchschnittlich gute Noten erzielen. Da die Vergleichsarbeiten vielerorts als Klassenarbeiten gewertet werden, werden somit die Zeugnisnoten ungerechtfertigt „nach oben gezogen“, berichtet Mier.

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