zum Hauptinhalt
Auf neuen Wegen. Von den geplanten Straßen (gestrichelt) gilt bisher nur die Spreebrücke der Süd-Ost-Verbindung als gesichert. Noch 2010 soll die Baugenehmigung vorliegen.

© dpa

A 100: Letzte Ausfahrt vor der Autobahn

Im Streit um die A 100 zeichnet sich eine billigere Alternative ab: Eine neue Ost-Tangente könnte den Stadtring-Ausbau überflüssig machen.

Der Countdown läuft: In den nächsten Wochen muss die rot-rote Koalition entscheiden, ob die Stadtautobahn zum Treptower Park verlängert wird. Befürworter wie Verkehrssenatorin Ingeborg Junge- Reyer (SPD) stehen zahlreichen Gegnern in den eigenen Reihen gegenüber, so dass Krach absehbar ist. Jetzt zeichnet sich ein politisch und verkehrsplanerisch interessanter Ausweg ab: Die „Tangentiale Verbindung Ost“ (TVO) könnte die überlasteten Straßen zwischen Marzahn-Hellersdorf und Treptow-Köpenick ergänzen. Geplant ist sie seit vielen Jahren, aber jetzt zeigt eine Machbarkeitsstudie im Auftrag der Verkehrsverwaltung des Senats das große Potenzial.

Die Gutachter beziffern das Nutzen- Kosten-Verhältnis der TVO auf sieben zu eins – ein außergewöhnlich hoher Wert. Er kommt vor allem durch die enorme Zeitersparnis der Nutzer zustande, die zurzeit im Dauerstau auf der Köpenicker Straße und der Treskowallee stehen und dort auch Busse und Straßenbahnen blockieren. Die TVO würde vom Knoten der Märkischen Allee mit der B1/B5 (Alt-Friedrichsfelde) parallel zur Eisenbahntrasse durch die Wuhlheide verlaufen und an ihrem südlichen Ende auf die vor acht Jahren eröffnete, vierspurige Umfahrung der Köpenicker Altstadt treffen. Deren südliche Verlängerung wird zurzeit ebenfalls vierspurig ausgebaut, so dass ein leistungsfähiger Anschluss bis zur A 113 Richtung Flughafen Schönefeld und zur Wissenschaftsstadt Adlershof entstünde.

Für die ebenfalls geprüfte Alternative, die TVO nicht östlich der Bahntrasse zu bauen, sondern westlich davon, ergibt sich ein Nutzen-Kosten-Verhältnis von vier zu eins. Ermittelt wurden die Werte jeweils für eine Stadtstraße mit je einer Fahrspur plus einem breiten Geh- und Radweg. Dass je eine Spur reichen könnte, ergibt sich aus der ungewöhnlichen Lage der Trasse: Weil sie größtenteils durch unbebautes Gebiet führt, sind kaum Kreuzungen und Fußgängerampeln notwendig. Mit reichlich sechs Kilometern ist die Trasse doppelt so lang wie der umstrittene Anschluss der A 100, aber mit 40 bis 46 Millionen Euro wäre sie rund 90 Prozent billiger. Ergänzt werden würde sie durch weitere, teils schon geplante Neubaustrecken, die die Verbindungen im Osten verbessern sollen.

Dasselbe verspricht der Senat zwar auch für die A 100, doch Kritiker halten den Autobahnstummel für ungeeignet. Sie verweisen darauf, dass er als Ost- West-Verbindung schon wegen seiner Nord-Süd-Richtung nicht taugt. Und wer vom Nordosten nach Adlershof oder zum BBI will, müsste erst über schon jetzt stauträchtige Achsen wie Frankfurter und Landsberger Allee fahren, um zur A 100 zu gelangen. Zudem muss das Nadelöhr Elsenbrücke passiert werden. Der Stadtplaner Dieter Hoffmann-Axthelm ist einer von vielen, die den Aufwand für die 3,2 Kilometer lange Autobahn – 420 Millionen Euro Baukosten, Abriss von mehr als 200 Kleingärten und vier großen Mietshäusern – für eine gigantische Fehlinvestition halten. Auch wenn die Befürworter darauf verweisen, dass das Geld größtenteils vom Bund kommt. Die TVO dagegen müsste das Land finanzieren, voraussichtlich in Kombination mit EU-Fördermitteln. So wird die in Planung befindliche Spreebrücke, die den Anfang der Süd-Ost-Verbindung bilden soll, nach Auskunft der Verkehrsverwaltung zu 90 Prozent mit EU-Geld bezahlt.

Die Linken haben auf ihrem Verkehrskongress Mitte März bereits deutliche Sympathie für das Alternativ-Paket erkennen lassen. Zugleich kämpft die Verkehrssenatorin vehement für die A 100. Entsprechend schwer würde sie bei einem Nein von Rot-Rot politisch beschädigt. Krach ist kaum noch zu vermeiden; ungewiss sind nur der Zeitpunkt der Eskalation und der exakte Frontverlauf: Sollte die SPD ihr Nein zur A 100 von 2009 revidieren, gibt es Ärger mit den Linken. Oder – falls die SPD bei ihrer Ablehnung bleibt – zwischen dem Senat und den beiden Parteien, die ihn tragen. Im April tagen die Linken, im Juni die SPD. Und zwischendurch geht Junge-Reyers Verwaltung nach eigenem Bekunden das Planungsgeld für die A 100 aus, weil der Hauptausschuss im November die nächsten Tranchen im November eingefroren hatte. Viel spricht deshalb dafür, dass die TVO der komfortabelste Ausweg wird.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false