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So ist es richtig. Bei roter Ampel muss man bremsen und nicht noch Gas geben. Das weiß jeder Autofahrer, aber viele halten sich nicht daran. Foto: dapd

© ddp

Unfälle: Berlins Rotlichtraser verletzen mehr Fußgänger und Radler

Berlins Autofahrer verlieren den Respekt vor roten Ampeln. Im ersten Halbjahr 2011 stieg die Zahl der durch Rotlichtraser verletzten Fußgänger und Radfahrer. Viele Blitzgeräte an Ampeln funktionieren nicht.

In Berlin ist die Zahl der Schwerverletzten durch Missachtung der roten Ampel im ersten Halbjahr 2011 gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum um mehr als zehn Prozent gestiegen. 326 Menschen wurden dabei verletzt, darunter 99 Radfahrer. Der Leiter der Verkehrspolizei, Markus van Stegen, nannte diesen Anstieg „heftig“. Trotz dieser alarmierenden Zahlen wird die Zahl der geblitzten Autofahrer in diesem Jahr deutlich abnehmen. Der Grund: Viele der 17 fest installierten Anlagen sind defekt oder abgeschaltet. Im ersten Halbjahr betrug die Ausfallquote 36 Prozent; im Vorjahr waren es nach van Stegens Angaben akzeptable 17 Prozent. Deshalb wurden in den ersten sechs Monaten 2011 nur noch 13 531 Autos geblitzt, 32 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Im gesamten Jahr 2010 waren fast 40 000 Autofahrer geblitzt worden.

Häufige Ursache für die hohen Ausfallquoten sind Baustellen, aber auch Vandalismus und die üblichen Berliner Straßenschäden. Die bei älteren Anlagen im Asphalt verlegten Schleifen reißen bei beschädigter Fahrbahndecke – die Anlage versagt. Besserung verspricht sich die Polizei von moderneren Geräten. Das erste hat vor einem Monat an der Bundesallee in Wilmersdorf eine Uralt-Anlage abgelöst. Die Daten der Digitalfotos werden per Funk direkt in die Bußgeldstelle gesendet, störanfällige Schleifen im Asphalt braucht die 80 000 Euro teure Säule nicht. Demnächst will die Polizei auch die Tempofunktion des Geräts scharf schalten – denn der „Poliscan“ der Wiesbadener Firma Vitronic fotografiert Rotlichtsünder wie auch Raser und das auf mehreren Spuren. Wer also bei Gelb kräftig Gas gibt, um „durchzuhuschen“, wie van Stegen sagt, „den erwischen wir dann auch“. Denn gelbes Ampellicht bedeutet bremsen, nicht beschleunigen.

In den kommenden Jahren sollen alle zwölf analogen Geräte durch die moderne Technik ersetzt werden. Spätestens wenn der letzte weltweit verbliebene Hersteller der Schwarzweiß-Filme die Produktion einstellt, muss Berlin investieren, hieß es im Präsidium. Selbst ein Aufkaufen der gesamten Produktion hilft nicht, da die Filme nur sehr begrenzt haltbar sind. In Berlin benötigen noch sechs Tempo- und 13 Rotlichtblitzer diese Filme.

Angesichts des teuren Zwangs zur Digitalisierung sei es eher unwahrscheinlich, dass noch Geld übrig sei, die Zahl der Anlagen zu erhöhen. Die wenigen Berliner Standorte aber sind den meisten professionellen Autofahrern bekannt – nur dort wird gebremst, ansonsten nicht nur bei Dunkelgelb gefahren, sondern auch bei Rot. Experten gehen bei diesem Verkehrsdelikt von einer Dunkelziffer in Millionenhöhe aus. Immerhin hat Berlin 2100 Ampeln, von denen nur 17 automatisch überwacht werden. Van Stegen nannte „Zeitdruck“ als mögliche Ursache der nachlassenden Verkehrsmoral. Tatsächlich fallen besonders Taxifahrer und Kurierdienste an Kreuzungen als besonders aggressive Rotlichtfahrer auf.

Seit zwei Jahren kontrolliert die Polizei intensiv durch Sondereinsätze an wechselnden Kreuzungen. So gab es im ersten Halbjahr 2011 etwa 1200 Einsätze mit 15 285 Anzeigen – „und alle Fahrer wurden angehalten“, betont der Chef der Verkehrspolizei. Damit wurden erstmals mehr Anzeigen bei solchen Einsätzen „im täglichen Dienst" gestellt als durch die automatischen Kameras. Die Sonderkontrollen waren nach vier Todesopfern durch Rot-Missachtung im Jahr 2010 vom damaligen Polizeipräsidenten Dieter Glietsch noch einmal intensiviert worden. In diesem Jahr hat es noch keine Todesopfer durch diese Unfallursache gegeben.

In der zweitgrößten deutschen Stadt Hamburg gibt es – umgerechnet auf ihre Einwohnerzahl – mit zehn Rotlichtblitzern ähnlich viele wie in Berlin. Andere Städte gehen aber deutlich rigoroser vor. Wuppertal hat über 20 Ampelblitzer – bei nur 350 000 Einwohnern auf einem Fünftel der Fläche. In Bremen werden sogar 35 Ampeln überwacht, die Stadt hat 550 000 Einwohner. In ganz Deutschland gibt es nach Angaben der Internet-Datenbank „scdb.info“ (speed camera database) 636 Rotlichtblitzer und 105 weitere, die auch das Tempo erfassen.

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