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S-Bahn-Chaos: Jetzt auch Radriss bei einem Regionalzug

Auch das noch: Wie jetzt bekannt wurde, gab es vor ein paar Tagen einen Radriss bei einem Wagen eines Regionalzuges. Diese werden zurzeit vermehrt als Ersatz für die S-Bahnen eingesetzt. Unterdessen sollen Lokführer die Kunden beraten.

Die Unglücksserie bei der Bahn hört nicht auf: Jetzt gab es auch noch einen Radriss bei einem Wagen eines Regionalzuges – das sind jene Züge, die jetzt auch auf Strecken in Berlin vermehrt eingesetzt werden, um die Ausfälle bei der S-Bahn auszugleichen. Das Rad des roten Doppelstockwagens älterer DDR-Bauart war gerissen, nachdem dort eine Klotzbremse festgelaufen war. Das Eisenbahnbundesamt hat seine Überprüfungen am Fuhrpark der Deutschen Bahn nun weiter ausgedehnt.

Der Zwischenfall ereignete sich am Bahnhof Wünsdorf-Waldstadt in Brandenburg. Wie erst jetzt bekannt wurde, entdeckten Fachleute den Radriss dort am 17. Juli bei einer Bremskontrolle. Ein Bahnsprecher sagte gestern Abend, der Doppelstockwagen sei bereits am 14. Juli überprüft worden. Bei einer weiteren Kontrolle drei Tage später sei dann der Defekt aufgetreten – ob bei voller Fahrt oder bei langsamer Geschwindigkeit, war gestern nicht zu klären. Der in den 90er Jahren aufwändig umgebaute Wagen aus alter DDR-Produktion verkehrt sonst von Wünsdorf-Waldstadt über Berlin nach Dessau mit teils bis zu 120 Kilometern pro Stunde. Nach Angaben des Bahnsprechers werden die 44 baugleichen Wagen jetzt untersucht, nach derzeitigem Kenntnisstand muss kein weiterer aus dem Verkehr gezogen werden.

Unterdessen naht Hilfe für orientierungslose Touristen und Berliner auf S-Bahnhöfen, die auf die selten fahrenden und teils verspätet eintreffenden Züge warten. 85 zusätzliche Mitarbeiter weisen ihnen den Weg zum Ersatzverkehr. Die Mitarbeiter kommen aus der Verwaltung der S-Bahn, sogar Lokführer sind dabei. Außerdem sollen Ansagen auf Englisch und mehrsprachige Flyer Berlin-Touristen besser durch das Chaos lotsen. Am Montag will Verkehrssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) eine Zwischenbilanz der Einschränkungen im Berliner S-Bahn-Verkehr ziehen. Wie beim vergangenen Krisentreffen vor gut einer Woche wird die Lage mit Vertretern der regionalen Verkehrsunternehmen und der Deutschen Bahn erörtert. Seit Montag fahren auf der Stadtbahn zwischen Zoologischer Garten und Ostbahnhof keine S-Bahn-Züge mehr. Und in Berlin ist nur noch ein Drittel der Fahrzeugflotte im Einsatz. Zur Bewältigung des Ersatzverkehrs unterstützen der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB), die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), die Deutsche Bahn sowie Verkehrsunternehmen aus München und Stuttgart die S-Bahn. Der derzeitige Notfahrplan soll bis 10. August gelten.

Wer aber bezahlt die Sonderschichten Dritter? Die S-Bahn verweist auf den Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB). Dort ist die Ansage klar: „Laut Verkehrsvertrag muss die S-Bahn für Ersatz sorgen, wenn sie ihre Leistungen nicht erbringt, deshalb ist die Bezahlung deren Sache“, sagt Sprecherin Elke Krokowski.

Dass die im Notfahrplan neu eingerichtete S21 von Gesundbrunnen nach Südkreuz bisher nur wenig genutzt wird, führt man beimVBB darauf zurück, dass sich diese Leistung bei den Fahrgästen noch nicht herumgesprochen hat.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund appellierte an die Fahrgäste der Berliner S-Bahn, ihren Zorn über das Verkehrschaos nicht an den Bahnbeschäftigten auszulassen. Schuld sei das Missmanagement und niemand sonst. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Hellmut Königshaus schlug vor, alle Fahrgäste zum ermäßigten Tarif fahren zu lassen. Bisher soll nur Abo- und Jahreskarteninhabern ein Monatstarif erstattet werden.

Die Grünen forderten erneut, den Vertrag mit der Deutschen Bahn über den Betrieb der S-Bahn zu kündigen. „Die nehmen uns doch nicht mehr ernst“, sagte die verkehrspolitische Sprecherin der Fraktion, Claudia Hämmerling. Schuld an dem S-Bahn-Chaos sei der „Kostendruck von oben“. Die Hälfte des Zuschusses für deren Betrieb, den das Land an die S-Bahn bezahlt, reiche die S-Bahn als Gewinn an die Bahn weiter. Dafür werde die Wartung der Wagen und der Service im Streckennetz runtergefahren. In den vergangenen vier Jahren war nach einem Geschäftsplan der S-Bahn die Zahl der Mitarbeiter halbiert, die Verschuldung um 300 Millionen Euro abgebaut und der Gewinn um 100 Millionen Euro erhöht worden. Ralf Schönball/Annette Kögel

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