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Verwaltungsgericht: Schnell erledigt: Klage gegen Tempo 30 vor Schule gescheitert

Das Verwaltungsgericht findet sichere Schulwege wichtiger als zwölf Sekunden Zeitgewinn einer Autofahrerin. Die hatte gegen die Tempolimits vor einer Schule in Zehlendorf geklagt.

Es ist ein kleiner Saal und das Gedränge deshalb umso größer, als das Verwaltungsgericht am Mittwochmittag die Klage von Isabella R. gegen das Land Berlin verhandelt. Die Rechtsanwältin aus Zehlendorf klagt gegen die Tempo-30- Schilder, die die Verkehrsverwaltung im Frühjahr 2009 vor der Waldorfschule in der Clayallee und der John-F.-Kennedy- Schule in deren Verlängerung am Teltower Damm angeschraubt hat. Die beiden Abschnitte, an denen sich außerdem drei Kitas befinden, sind Teil des Senatskonzepts, durch Tempo 30 werktags von 7 bis 17 Uhr das Unfallrisiko für Kinder zu verringern. Dadurch sieht sich Isabella R. in ihren Rechten als Autofahrerin auf dem Weg zur Arbeit und zum Einkaufen verletzt. Vor Gericht ist allerdings nur ihr Anwalt erschienen: Torsten Hippe, im Nebenberuf Fraktionschef der CDU in Steglitz-Zehlendorf. Er hatte zunächst auch sein Fraktionsmitglied David Eckel vertreten, aber nachdem der seine Klage kurz vor dem zunächst angesetzten Verhandlungstermin zurückgezogen hatte, ist nur Isabella R. übrig geblieben.

Im Kern stützt sich die Klage auf drei Argumente: Durch die stadtweite 30er- Offensive vor Schulen an Hauptstraßen habe der Senat eine Ausnahme zur Regel gemacht, was nur der Bund dürfe. Die betroffenen Schulen hätten ihre Haupteingänge zu anderen Seiten hin, es gebe Fußgängerampeln. Und: Bisher seien dort nur Erwachsene angefahren worden.

Schnell wird klar, was der Vorsitzende Richter Norbert Kunath von diesen Argumenten hält: Er erwähnt den Tagesspiegel-Bericht vom Montag, wonach die Polizei immer mehr Verletzte durch Rotlicht-Raser beklagt und erwähnt die Hunderten Fälle aus seiner Berufspraxis, in denen es um Rotlichtverstöße ging. Aus dem Alltag sei bekannt, dass eine Fußgängerampel allein kein sicherer Schutz für Kinder sei. Deren Leben und Gesundheit stehe dem Anspruch der Autofahrerin auf flottes Fortkommen gegenüber. Ein Schulleiter hat dem Gericht mitgeteilt, dass sich die zuvor alltäglichen brenzligen Situationen dank Tempo 30 erledigt hätten. Zumal die vermeintlichen Nebenausgänge an der Hauptstraße von der Mehrheit der Schüler genutzt werden.

Auch die Verwaltung hat seit dem geplatzten Verhandlungstermin vor einem Jahr nachgearbeitet – und das Gefahrenpotenzial mit Zahlen untermauert: 267 querende Schüler an einem Tag in der Clayallee, 468 am Teltower Damm. Sie müssen Ströme von täglich 37 000 bzw. 17 600 Fahrzeugen durchqueren.

Zusätzlich haben sich die drei Berufsrichter mit eigenen Recherchen vorbereitet: In Köln und Nürnberg gelte ebenfalls Tempo 30 vor allen Schulen, ein Zusammenstoß mit einem Auto bei Tempo 50 hat fast die dreifache Wucht, und an Wochenenden sowie in den Ferien sinkt die Zahl der verunglückten Kinder in Berlin dramatisch. „Ich möchte es mal ganz deutlich auf den Punkt bringen“, resümiert der Richter: Die Abwägung zwischen dem Leben der Kinder und den zwölf Sekunden Zeitersparnis der Autofahrerin „kann nur in einer Richtung ausgehen“.

Angesichts dieser Signale will Hippe seiner Mandantin wenigstens die Gerichtskosten ersparen: Erst die Nacharbeit der Verwaltung habe die Erfolgschancen der Klage verringert. Die zieht er nun zurück, bevor das Urteil fällt. Doch die Gerichtskosten muss seine Mandantin trotzdem tragen. Und die 30er-Schilder bleiben.

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