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Wettbewerb: Netzagentur will mehr Konkurrenz für S-Bahn

Der Präsident der Netzagentur fordert schärfere Gesetze für mehr Wettbewerb auf der Schiene. Wirkliche Besserung ist für die Fahrgäste vorerst nicht in Sicht.

Das Minimalprogramm der S-Bahn funktioniert halbwegs stabil, aber wirkliche Besserung ist nicht in Sicht: Auch eine Woche nach dem Desaster um die verschlissenen Bremsen ist nur rund ein Viertel der Flotte einsatzfähig, so dass viele Streckenabschnitte überhaupt nicht oder nur mit Ersatzverkehr erreichbar sind. 24 geschlossene Bahnhöfe werden auf der Internetseite www.s-bahn-berlin.de aufgelistet. Viele davon sind zwar mit Ersatzbussen und zusätzlichen Regionalzügen erreichbar, aber die Alternativen werden in der Online-Fahrplanauskunft nicht immer angezeigt.

Zugleich bekommt die Debatte über den Umgang mit dem Desaster neuen Schwung. Der Verkehrsausschuss des Abgeordnetenhauses hat zu einer Sondersitzung am Mittwoch Bahnchef Rüdiger Grube, S-Bahn-Geschäftsführer Peter Buchner, Betriebsratschef Heiner Wegner sowie Hans-Werner Franz vom Verkehrsverbund VBB und einen Experten des Eisenbahn-Bundesamtes eingeladen.

Der Präsident der Bundesnetzagentur, Matthias Kurth, forderte schärfere gesetzliche Regeln, um den Wettbewerb auf der Schiene anzuheizen. „Die Wettbewerber können nur dann erfolgreich an Ausschreibungen teilnehmen, wenn sie ihre Betriebskonzepte rechtssicher planen und kalkulieren können“, sagte Kurth. Das ist noch längst nicht der Fall. So wissen bei der Ausschreibung einer Strecke Konkurrenten der Deutschen Bahn AG (DB AG) oft nicht, welche Kosten ihnen entstehen, wenn sie etwa Wartungstechnik, Bahnhöfe oder die Vertriebswege etwa beim Kartenverkauf von der Bahn nutzen wollen. „Beim Vertrieb verfügt die DB AG faktisch über eine Monopolstellung, die nicht in allen Bereichen gesetzlich geregelt ist“, kritisierte Kurth.

Die Bundesnetzagentur rechnet damit, dass bundesweit in den kommenden Jahren zwei Drittel der Angebote im Schienenpersonennahverkehr ausgeschrieben werden. Dazu seien klare Regeln im Nah- wie im Fernverkehr nötig. „Wenn wir Wettbewerb im Fernverkehr wollen, dann brauchen die Neueinsteiger Planungssicherheit“, sagte Kurth. „Das garantiert DB AG bislang nicht.“ Er forderte ebenso strenge Vorgaben wie im Energie- und Telekommunikationsbereich. Das würde für „Handlungssicherheit und Transparenz bei den Wettbewerbern sorgen“. Im Nahverkehr hat die Bahn noch einen Marktanteil von 90 Prozent, im Fernverkehr sogar 99 Prozent.

Bislang wurden etliche Strecken im Nahverkehr gar nicht erst ausgeschrieben, sondern direkt an die DB AG vergeben – mit teils zweifelhaftem Erfolg, wie das aktuelle Beispiel der Berliner S-Bahn zeigt. Inzwischen wächst der Druck auf den Senat, den Vertrag mit der S-Bahn fristlos zu kündigen, neu auszuschreiben und dann strenge Vorgaben für Qualität und wirksame Pönalen bei Nichterfüllung festzulegen. Das allerdings lehnt Verkehrssenatorin Ingeborg Junge- Reyer (SPD) bislang ab. „Es gibt kein Unternehmen, das die Verkehre so schnell übernehmen kann“, hieß es aus ihrer Verwaltung.

Das sehen die Privatbahnen allerdings anders. „Ich habe keine Zweifel, dass ein Privatunternehmen die Verkehre übernehmen würde“, sagte Engelbert Recker, Hauptgeschäftsführer beim Privatbahnenverband Mofair. In der Tat hatte bereits 2003 die Privatbahn Connex angeboten, die Ringbahn in Berlin zu betreiben. Das lehnte die Verkehrsverwaltung damals mit dem Hinweis ab, der Nahverkehr müsse aus Sicherheitsgründen aus einer Hand betrieben werden.

Die Privatbahnen fordern, den Vertrag fristlos zu kündigen, damit das Land zumindest nachverhandeln kann. „Die Bahn versteht keine andere Sprache“, sagte auch die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Abgeordnetenhaus, Franziska Eichstädt-Bohlig. Es könne nicht sein, dass die S-Bahn jährlich 232 Millionen Euro vom Land erhalte und für 2010 einen Gewinn von 125 Millionen Euro einplane. Die Grünen wollen in dieser Woche entscheiden, ob sie ein Verfahren in Brüssel wegen unerlaubter Beihilfe anstrengen. Verkehrsexpertin Claudia Hämmerling hatte die Beschwerde in Brüssel bereits angekündigt. Auch Mofair-Hauptgeschäftsführer Recker sieht das Beihilferecht verletzt, weil die S-Bahn unangemessen viel Geld vom Land erhalte.

Daniel Delhaes (HB), Stefan Jacobs

Daniel Delhaes (HB)[Stefan Jacobs]

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