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Zugausfälle: S-Bahn-Mitarbeiter fälschten offenbar Wartungsprotokolle

Bei der S-Bahn sind offenbar seit Jahren Prüfprotokolle der Werkstätten gefälscht worden. Das vermutet das Management der Bahn, wie der Tagesspiegel am Donnerstag aus dem Aufsichtsrat des Konzerns erfuhr.

"Den Protokollen zufolge sind alle Fahrzeuge seit 2004 regelmäßig und lückenlos gewartet worden – mit der Realität stimmt das aber offenbar nicht überein“, sagte eine mit den Vorgängen vertraute Person. „Man geht davon aus, dass Serviceleute offensichtlich geschlampt haben.“ Bahn-Personenverkehrsvorstand Ulrich Homburg habe in der Sitzung des Kontrollgremiums am Mittwoch erklärt, in den Protokollen seien alle wichtigen Punkte abgehakt. Es sei aber nicht zu erkennen, dass jemand aus der Führung eine derartige Praxis „beschlossen oder Mängel in Kauf genommen hat“.

„Da versucht jemand die Verantwortung abzuwälzen und die Mitarbeiter in Geiselhaft zu nehmen“, sagte der Betriebsratsvorsitzende der S-Bahn, Heiner Wegner. Die Bediensteten in den Werkstätten hätten „auf keinen Fall betrogen oder Unterlagen gefälscht“. Versagt hätten die für die Instandhaltung zuständigen Bereichsleiter, die für die Organisation der Arbeit zuständig seien und entweder gar keine oder mangelhafte Anweisungen erteilt hätten. Die Probleme an den S-Bahn-Zügen gehen, wie berichtet, auf nun defekte Schrauben an Bremszylindern zurück. Diese hätten in gewissen Abständen ausgetauscht werden müssen. „Das ist nicht geschehen, obwohl das Pfennigartikel sind“, wie es weiter hieß. Wegen nun zahlreicher defekter Bremszylinder ist seit Montag deshalb lediglich ein Viertel der S-Bahn-Flotte im Einsatz. Ein Sprecher der S-Bahn bestätigte, dass man auf „Unregelmäßigkeiten“ in den Werkstätten gestoßen sei und diese derzeit zu klären versuche.

Das Unternehmen hat seit 2004 insgesamt rund 2000 Stellen gestrichen und hat derzeit noch 2860 Mitarbeiter. Geplant ist eine weitere Personalreduzierung. Der Betriebsrat bezeichnete den Personalabbau bereits 2007 als „existenzgefährdend“. Die Zahl der Mitarbeiter in den Werkstätten der S-Bahn sank von 2002 bis 2008 um mehr als 40 Prozent.

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) kritisierte angesichts der erneuten Ausfälle bei der S-Bahn das Unternehmen und den Mutterkonzern Deutsche Bahn scharf und forderte ein rasches Handeln. Die einzige schnelle Lösung für die Kunden sei, dass repariert werde und die Züge nach und nach wieder in den Verkehr gebracht würden, sagte Wowereit im ZDF. In der Vergangenheit sei viel versäumt worden. „Man hat hier die Privatisierung offensichtlich zu ernst genommen“, sagte er mit Blick auf den ursprünglich geplanten Börsengang der S-Bahn-Muttergesellschaft. Das Unternehmen sei „auf Gewinn getrimmt“ worden und habe die Sicherheit vernachlässigt. Das sei der Skandal. Bahnchef Rüdiger Grube sitze nun „voll in der Malaise drin, was sein Vorgänger Mehdorn da verursacht hat mit seinem blöden Börsengang“. Er hoffe, dass Grube mit seinem neuen Management aufräume.

Ein Gleisdefekt am Hauptbahnhof schränkte am Donnerstag auch den Regionalzugverkehr der Innenstadt ein.

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