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Georgine

© Uwe Steinert

Vermisst: Quälende Ungewissheit

Vor einem Jahr verschwand die 15-jährige Georgine. Ihre Familie gibt die Hoffnung nicht auf, dass sie lebt. Auch die ermittelnde Mordkommission hat die Arbeit nicht eingestellt.

Die Enttäuschung bebt in der brüchigen Stimme mit. „Die ganze Suche, die vielen Berichte in den Medien: Es hat sich nicht gelohnt“, sagt Tomislav am Telefon. Am morgigen Dienstag ist es genau ein Jahr her, dass seine Halbschwester Georgine Krüger verschwand. Bislang fehlt jede Spur von dem mittlerweile 15 Jahre alten Mädchen aus Moabit.

Hoffen, beten, erinnern – mehr kann die Familie Krüger nicht tun. Tomislav (22), seine Mutter Vesna (43), Großmutter Veronika (59) und Georgines kleine Schwester Michelle (7), sie mussten schon Weihnachten ohne ihre „Gina“ verbringen. Dabei hatten sie so sehr auf ein Lebenszeichen gehofft. Dann kam ihr Geburtstag am 25. Juli, an dem der Kuchen unangerührt blieb – und nun der Jahrestag ihres Verschwindens. „Klar, die Familie wird den Tag zusammen verbringen“, erzählt Tomislav. „Medienrummel“ wolle die Familie nicht mehr. „Das hat uns alles nur Stress eingebracht.“ Seine Großmutter, seine Mutter und Michelle, die in einer Dreizimmerwohnung leben, möchte er deshalb schonen und möglichst fernhalten von jeglichem Trubel.

Mysteriöse Umstände

Die Mordkommission, die in dem Fall ermittelt, geht davon aus, dass Georgine Opfer eines Verbrechens wurde. Mysteriös sind die Umstände, unter denen das Mädchen an jenem 25. September 2006 verschwand. Sie war auf dem Heimweg von der Schule, als sie gegen 14 Uhr 10 an der Haltestelle Stendaler Straße aus dem Bus der Linie M27 stieg. Wie die Ermittler wissen, war ihr Handy zu diesem Zeitpunkt noch an. Kurz telefonierte sie mit einer Freundin. 200 Meter sind es bis zur Wohnungstür. Doch auf diesen wenigen Metern verliert sich ihre Spur. Das Handy ist seitdem ausgeschaltet.

Hunderte Polizeibeamte durchkämmten mit Hilfe von Hunden zwei Wochen lang die Umgebung: 300 Häuser, Dachböden, Keller, Fabrikhallen und Hinterhöfe wurden durchsucht. Die Wasserschutzpolizei fuhr die Gewässer ab. Beamte klebten Suchplakate an die Häuserwände, auf denen Georgine beschrieben ist: bekleidet mit einer Jeans mit Bleichflecken auf der Vorderseite und einer weißen Jeansjacke. Schlank, 1,65 Meter groß, glatte, lange braune Haare. Mit dabei hatte sie eine pinkfarbene Umhängetasche der Marke „Eastpack“. Die Aktionen blieben erfolglos. Auch die 150 Hinweise aus der Bevölkerung brachten die Ermittler nicht weiter.

Dennoch ist der Fall für die Mordkommission nicht abgeschlossen. Vereinzelt kommen noch Hinweise aus der Bevölkerung, denen die Fahnder nachgehen. „Doch meistens waren das Spinner, die sich wichtig machen wollten“, verrät ein Ermittler.

Die Hoffnung lebt

Den Gedanken, dass Georgine nicht mehr lebt, will ihr Halbbruder nicht zulassen. „Vielleicht wird sie irgendwo versteckt gehalten und kann nicht weg“, sagt er. So wie im Fall Natascha Kampusch aus Österreich. Sie war acht Jahre von ihrem Peiniger in einem Verließ gefangen gehalten worden. Dass Georgine freiwillig abgehauen sein könnte, kann sich Tomislav nicht vorstellen. Georgine, die sich in ihrer Freizeit am liebsten zu den orientalischen Rhythmen in indischen Bollywood-Filmen bewegte, sei ein glückliches Mädchen gewesen. Sie träumte von einer Karriere als Tänzerin oder Schauspielerin. Am Tag ihres Verschwindens hatte Georgine sogar einen Casting-Termin für die ARD-Serie „Türkisch für Anfänger“. „Den hätte sie nie platzen lassen“, sagt ihr Bruder.

Tomislav hat versucht, mit eigenen Aktionen die Suche nach Georgine voranzutreiben: Er klebte Zettel mit einem Foto von ihr an die Bäume und Häuser in der Umgebung. Und er richtete eine Internetseite (www.georginekrueger.de) ein. Anfang Oktober, sagt Tomislav, werde er nochmals von der Polizei befragt. Ob das weiterhelfen kann, weiß er nicht. Das Schlimmste sei sowieso die quälende Ungewissheit. Mit der muss die Familie weiterleben.

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