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Berlin: Versteigerung: Wie in Boston: Bahnhofsnamen werden an den Meistbietenden verkauft

Haushaltssperre, lahmende Konjunktur, schleppende Privatisierung, Landesbank-Crash: Der Haushalt liegt auf der Intensivstation. Deshalb sind unkonventionelle Methoden gefragt, um Geld in die Kassen der Stadt zu spülen.

Haushaltssperre, lahmende Konjunktur, schleppende Privatisierung, Landesbank-Crash: Der Haushalt liegt auf der Intensivstation. Deshalb sind unkonventionelle Methoden gefragt, um Geld in die Kassen der Stadt zu spülen. "Tabus kann es in dieser Situation nicht geben", sagte Finanzsenator Peter Kurth (CDU), der dem Tagesspiegel exklusiv offenbarte: Berlin will die Namen seiner U- und S-Bahnhöfe nach Bostoner Vorbild meistbietend versteigern. Der Senat hat Kurths Vorstoß bereits abgesegnet.

Noch vor der Sommerpause soll die erste Auktion stattfinden. Kurth erwartet, dass die Versteigerung jedes Bahnhofsnamens jährlich etwa 500 000 bis zwei Millionen Mark abwirft - je nach Bedeutung und Bekanntheitsgrad der Station. Besondere Orte sogar noch mehr: "Jürgen Schrempp hat in Vorgesprächen angedeutet, dass er für den Bahnhof Zoo fünf Millionen im Jahr anlegen würde", sagte Kurth. Heißt es statt "Berlin-Zoologischer Garten" künftig "DaimlerChryslerStation"? Wird das Hallesche Tor zur "Deutschen Bank?" Das Gleisdreieck zum "Microsoft Triangle"? Das Ostkreuz zum "Postkreuz"?

Senator Kurth sagte, über Einzelheiten müsse "sicherlich noch gerungen werden". Grundsätzliche Einwände gegen derartige Namensänderungen wies er jedoch zurück. "Das Sponsoring öffentlicher Einrichtungen ist weltweit auf dem Vormarsch." Er verwies auf die Leverkusener BayArena, "ein Stadion, das es ohne das Engagement der Bayer-Gruppe schwerlich gegeben hätte". Überdies sei es denkbar, dass neue Namen auch neue stadtpolitische Akzente setzen: So könne der "Telekotti" das Kottbusser Tor vor dem Dahindämmern bewahren, und die heute kaum noch verständliche Ortsbezeichnung "Onkel Toms Hütte" lasse sich durch ein frisches, modernes "Uncle Bens Tüte" gewinnbringend aufwerten. Kurth erwägt ferner, die Inhaber bereits vorhandener Bahnhofsnamen, beispielsweise den Siemens-Konzern (Siemensdamm) oder die Wagner-Erben (Richard-Wagner-Platz), für die weitere Überlassung der Stationen zur Kasse zu bitten.

Die SPD steht Kurths Vorhaben skeptisch gegenüber, will aber, wie Verkehrssenator Strieder sagte, "nicht die Koalitionsfrage stellen, da gibt es wichtigere Streitfälle." Proteste gegen die Absicht des Finanzsenators kamen von der BVG. Sprecherin Barbara Mansfield sagte, man sei nicht grundsätzlich dagegen, neue Geldquellen zu erschließen, fürchte aber, dass ständige Namensänderungen dem Verkehrsbetrieb nichts als neue Kosten einbringen. Boulevard Berlin: Was die Stadt bewegt... Kurth will diesen Einwand nicht gelten lassen: "Wenn das Konzept wie geplant einschlägt, sind Ausgleichsmaßnahmen für die BVG kein Thema." Überdies wolle man die Namensrechte auf mindestens fünf Jahre vergeben und so allzu häufigen Wechsel vermeiden. Langfristig soll die Privatisierung der Bahnhofsnamen dazu beitragen, die Fahrpreise stabil zu halten oder sogar zu senken. Fraglich ist bislang, was bei Firmenfusionen geschieht: Dann könnte zum Beispiel der Bahnhof Dresdner Bank unversehens zur Dresdner Allianz werden.

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