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Verstorbene Jugendrichterin: Verschwörungstheorien um den Tod von Kirsten Heisig

Seit dem Suizid der Jugendrichterin kursieren bizarre Mordthesen. Dabei sind den Ermittlungsbehörden kaum Versäumnisse vorzuwerfen.

Die Generalstaatsanwaltschaft kann noch nicht sagen, ob und in welchem Umfang die Justiz einem Journalisten Details über den Tod der Jugendrichterin Kirsten Heisig bekannt geben wird. Am Montagabend hatte das Oberverwaltungsgericht, wie berichtet, dem Münchner Journalisten Gerhard Wisnewski in zweiter Instanz recht gegeben. Die Presse habe einen Anspruch auf Auskunft, hatte das Gericht mitgeteilt. Heisig sei bundesweit bekannt gewesen, daher bestehe ein „legitimes öffentliches Interesse an Informationen über ihren unerwarteten Tod“.

Heisigs Leiche war am 3. Juli im Tegeler Forst in Heiligensee gefunden worden. Einen Tag später hatte die Staatsanwaltschaft nach der Obduktion als Todesursache Suizid genannt – einige Details, zum Beispiel über die Auffindesituation, waren Berliner Journalisten zwar bekannt, wurden aber nicht veröffentlicht. Mitte Juli war Wisnewski bei der Pressestelle der Staatsanwaltschaft dann mit seinem Auskunftsersuchen abgeblitzt: „aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes“.

„Der Beschluss ist eine ziemliche Blamage für die Geheimniskrämer von der Staatsanwaltschaft, die auf die Rechte der Presse offenbar keinen Pfifferling geben“, teilte Wisnewski mit. Sein angebliches Motiv: „Um den Eindruck zu beseitigen, dass hier etwas vertuscht werden sollte, hilft jetzt nur großzügige Informationspolitik.“ Kritiker nennen Wisnewski einen Verschwörungstheoretiker, da er nach Angaben des Internetportals Wikipedia unter anderem die Mondlandung von 1969 infrage stellen und vermuten soll, die RAF-Anschläge Ende der 80er Jahre seien nicht von der RAF verübt worden.

Zu Heisigs Tod kursieren im Internet eine Fülle bizarrer Theorien. So soll der frühere Finanzsenator Thilo Sarrazin die Ermordung angewiesen haben, damit Heisig ihm mit ihrem Buch nicht die Schau stehlen kann – dies ist noch nicht die schrillste These.

Diese Mord- und Vertuschungsthesen werden aus Details und Zitaten zusammengewürfelt. Ein Kronzeuge ist zum Beispiel Neuköllns Bürgermeister Heinz Buschkowsky mit seinem viel zitierten Satz „So jemand bringt sich doch nicht um“. Auch dass die Leiche erst nach mehreren Tagen gefunden wurde, obwohl dieser Wald schon zuvor durchsucht worden war, gilt als Indiz. Dabei sind die Erklärungen einfach: Die Suchhunde fanden wegen der extremen Hitze keine Spur. Und bei der ersten Begehung war das Unterholz nicht durchsucht worden – die Leiche lag auf dem Boden.

Die Polizei war schon kurz nach Heisigs Verschwinden von einem Suizid ausgegangen. Denn Ermittlungen im Umfeld ergaben, dass die Richterin in psychologischer Behandlung war. Schlampigkeit kann man den Behörden wohl nicht vorwerfen. So wurde die Mordkommission an den Fundort gerufen. „Das sind die Profis, die nichts übersehen“, wurde dies damals begründet. Sogar der Leiter der Berliner Rechtsmedizin, Michael Tsokos, wurde nach Heiligensee gerufen. Er obduzierte den Leichnam später auch, denn angesichts des Medienrummels sollten Spekulationen vermieden werden.

Nur eine wirkte für Beobachter unprofessionell: Ausgerechnet Heisigs Chefin, Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) wartete nicht das Ergebnis der Obduktion ab, sondern verkündete wenige Stunden nach dem Fund der Leiche ihr „vorläufiges Ergebnis: Suizid“ – für Verschwörungstheoretiker ein Indiz mehr.

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