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Berlin: Versuchter Totschlag mit dem Auto

16-Jähriger zu Haftstrafe verurteilt – er hatte einen Passanten angefahren

Hassan war 15, als er absichtlich einen Fußgänger anfuhr. Vor dem Landgericht hatte der staatenlose Jugendliche libanesischer Abstammung diese unglaubliche Tat zugegeben. Im Urteil hieß es gestern, der Angeklagte sei in der Familie „nicht so richtig“ erzogen worden. „Es wird höchste Zeit, dass der Versuch unternommen wird, das nachzuholen.“ Und zwar im Gefängnis. Drei Jahre und drei Monate Jugendstrafe wegen versuchten Totschlags und weiterer Delikte ergingen gegen den inzwischen 16-Jährigen.

Sein Fußballtrainer hatte Hassan (Name geändert) ans Steuer gelassen. An den Yorckbrücken in Schöneberg hupte Hassan, um zwei Mädchen zu imponieren. Es winkte ein Mann zurück. „Ich habe gedacht, da sitzt ein Kumpel im Auto“, sagte Toni L. im Prozess. Hassan aber fühlte sich durch die freundlich gemeinte Geste provoziert. Er wendete, fuhr zu dem Passanten und baute sich wütend vor Toni L. auf: „Was willst du?“ Als dem 15-Jährigen klar wurde, dass er dem Zwei-Meter-Mann L. körperlich unterlegen war, setzte er das Auto als Waffe ein.

Hassan sagte im Prozess, er habe den Mann „nur leicht verletzen“ wollen. In der Hektik habe er Gas und Bremse verwechselt. Die Jugendstrafkammer sah das anders. „Sie wollten Toni L. umfahren und Sie haben ihn umgefahren“, sagte der Richter. „Sie sind auf ihn zu, weil Sie sich in Ihrer Ehre verletzt fühlten.“ Anders als die Staatsanwaltschaft, die fünfeinhalb Jahre Haft beantragt hatte, gingen die Richter nicht von Mordversuch aus.

Der 23-jährige Toni L. schlug auf die Windschutzscheibe auf, prallte gegen einen Pfeiler und erlitt schwere Kopfverletzungen. Ohne sich um das Opfer zu kümmern, fuhren Hassan und sein angetrunkener Trainer davon. Um den Angriff zu vertuschen, meldete der Trainer seinen Renault Clio als gestohlen. Er saß nun mit auf der Anklagebank. „Es war eine Verantwortungslosigkeit sondergleichen, dem Jungen das Auto zu überlassen“, hielt ihm das Gericht vor. Gegen den Trainer ergingen unter anderem wegen unterlassener Hilfeleistung 15 Monaten Haft auf Bewährung. Zudem wurde ihm für 18 Monate der Führerschein entzogen.

Hassan wurde in Deutschland geboren. Nach Angaben seines Verteidigers kann der Junge „nicht mal richtig lesen und schreiben“. In der Schule ließ er sich selten blicken. Er ist wegen Diebstahls, Körperverletzung und Hehlerei vorbestraft. Und sechs Wochen vor der Attacke mit dem Auto hatte Hassan in Kreuzberg versucht, einen Arzt auszurauben. Dieser Erpressungsversuch wurde in das Strafmaß einbezogen.

Kerstin Gehrke

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