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Berlin: Viele verstehen nur Bahnhof

Im Reisezentrum am Zoo müssen Kunden künftig an den Automaten: Es gibt weniger Personal. Die Fahrgäste sind verärgert

Die Finger tippen immer hektischer auf den Bildschirm. Schließlich klopft der Kunde ärgerlich dagegen. „Da ziehen die mich durch das ganze Computermenü, um mir dann zu sagen, dass es das Ticket gar nicht gibt.“ Wilfried Hoffmann steht vor dem Fahrkartenautomaten im Reisezentrum Bahnhof Zoo und verzweifelt. Wird nichts mit dem Trip zum Billigpreis von 29 Euro nach Wuppertal.

So wie dem 52-Jährigen aus Charlottenburg wird es ab August wohl auch anderen Kunden gehen, die künftig häufiger mit Automaten Vorlieb nehmen müssen: Die Bahn reduziert die Mitarbeiterzahl im Reisezentrum Zoo, wie berichtet, um 30. Noch arbeiten dort 116 Leute. Zudem prüft die Bahn kürzere Öffnungszeiten. Für die Betroffenen gebe es Sozialpläne, sie würden umgesetzt, sagt Bahnsprecher Burkhard Ahlert. Ihren Kollegen könnte es demnächst ähnlich gehen: Denn alle Reisezentren in Berlin und Brandenburg stünden „auf dem Prüfstand“, so Ahlert. Noch arbeiten nach Angaben der Bahngewerkschaft Transnet 320 Servicekräfte in 34 Reisezentren. An den Schaltern sollen Kosten gespart werden, erklärt die Bahn – die Kunden würden ohnehin immer öfter über Internet und Automaten buchen.

Am Freitag bildeten sich die langen Warteschlangen im Reisezentrum Zoo aber noch vor den Schaltern. „Die sollten hier lieber mehr Leute hinsetzen“, sagt ein 53-jähriger Fahrgast aus Mannheim. Auch Astrid Kasperowski , 56, aus Friedenau, ist verärgert über die neue Bahnstrategie. „Ich hab sowieso noch kein Reisecenter erlebt, in dem man so lange warten muss wie hier am Zoo.“ In Hannover gehe das „viel schneller“. Für ihr Ticket hat sich Frau Kasperowski viel Zeit genommen: „Anderthalb Stunden habe ich gebraucht, um es im Internet zu buchen.“ Doch die Zahl der Internet-Kunden sei zuletzt um 80 Prozent gestiegen, sagt der Bahnsprecher: Nunmehr erwirbt bundesweit ein Prozent der Kunden ihr Ticket im Netz. Acht Prozent buchen im Reisebüro, ein Viertel der Fahrgäste im Reisezentrum. Rund 60 Prozent aller Bahnfahrkarten zieht die Kundschaft im Nah- und Fernverkehr aus dem Automaten, sagt Ahlert. Nehme man aber nur die Fahrscheine im Fernreiseverkehr, sagt Oliver Kaufhold von der Gewerkschaft Transnet, sehe das Verhältnis ganz anders aus: vier Prozent Internet, 18 Prozent Automat, 80 Prozent Schalter. Da werde es künftig an den internationalen Schaltern am Bahnhof Zoo längere Wartezeiten geben.

In der Schlange stehen auch Ronnie und Omar Chatah aus Washington. Die Brüder sind auf dem Weg zur Verwandtschaft nach Beirut. „Gerade im Ausland nutze ich lieber die persönliche Beratung“, sagt der 23-jährige Ronnie. „Mir ist die Internet-Buchung lieber“, hält der 19-jährige Omar dagegen, „wenn ich in den USA nicht übers Netz hätte buchen können, wäre ich gar nicht nach Berlin gereist.“ Auch Qingyu Xu, Bioinformatik-Student an der Freien Universität, meint, dass „die Buchung am Automaten für junge Leute kinderleicht ist“. Doch viele ältere Kunden haben ihrem Unmut schon am Schalter Luft gemacht. „Mir tut es auch für die Kollegen Leid“, sagte eine Angestellte. „Einige sind erst vor kurzem mit ihren Familien aus Thüringen oder Sachsen hierher gezogen – und nun wissen sie wieder nicht, wie es weitergeht.“

Der gescheiterte Charlottenburger am Automaten indes wird künftig womöglich auf anderem Wege reisen. „Mich macht die Bahn als Kunden durch diese Neuerung eher sauer als zufriedener.“

Annette Kögel

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